Riechforscherin erklärt Besser schlafen: Wie Düfte gegen Albträume helfen können

Frau liegt im Bett und hat einen Albtraum
Düfte wirken sich unterbewusst auf unser Wohlbefinden auf. Wer unter Albträumen leidet, könnte von diesem Effekt profitieren (Symbolbild)
© Panthermedia / Imago Images
Gerüche beeinflussen das Wohlbefinden stärker als den meisten Menschen bewusst ist. Selbst im Schlaf können Düfte sich aufs Gemüt auswirken – und deshalb sogar gegen Albträume helfen.

Der Duft nach Zimt lässt uns an Weihnachten denken. Riechen wir an Sonnencreme, fühlen wir uns in den letzten Urlaub zurückversetzt. Laufen wir an einer Pommesbude vorbei, kommen Kindheitserinnerungen an Jahrmärkte hoch – Gerüche lösen im Menschen unterbewusst Emotionen und Erinnerungen aus.

Riechen als "Grundlage des Wohlbefindens"

Keine andere Sinneswahrnehmung prägt die Gefühlswelt des Menschen so sehr wie der Geruch. Das Riechen wirkt sich stärker auf die mentale Verfassung aus, als den meisten bewusst ist. Wissenschaftler beschreiben es als die "Grundlage unseres Wohlbefindens". Das gilt sowohl tagsüber als auch in der Nacht. Studien haben gezeigt, dass Düfte sogar Einfluss auf Träume haben können.

Obwohl der Geruchssinn der Älteste unter den Sinnen ist, dauerte es verhältnismäßig lange, bis Forscher die biologischen und chemischen Prozess hinter dem Riechen entschlüsseln konnten. Im Jahr 2004 erhielten die US-Amerikanischen Wissenschaftler Richard Axel und Linda Buck für die Erforschung des olfaktorischen Systems den Nobelpreis für Medizin und Physiologie.

Riechen läuft im Unterbewussten ab

Das Riechen läuft im Unterbewussten ab. Dr. Ilona Croy, Professorin für klinische Psychologie an der Universität Jena, beschreibt die Geruchswahrnehmung als "einen Hintergrund, vor dem sich die anderen sensorischen Eindrücke aufspannen." Die Duftmoleküle, die stetig um uns herum freigesetzt werden, binden an die Geruchsrezeptoren der Riechzellen. Rund 30 Millionen davon sitzen in der menschlichen Nase. Die Zusammenarbeit von Tausenden spezifischen Rezeptoren ermöglicht es dem Menschen, mehr als 10.000 Gerüche zu unterscheiden.

Flaschen in einer Parfümerie
Blick in eine Parfümerie: Mehr als 10.000 Gerüche kann die menschliche Nase unterscheiden.
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Über ein elektrisches Signal gelangen die Duftmoleküle in den Riechkolben, einen Teil der Großhirnrinde, wo die Impulse schließlich verarbeitet werden. Alle anderen Sinne filtert das Hirn vor, auf der Gerüche trifft das nicht zu. Sie gelangen unmittelbar ins Hirn, in eine Region, die mit dem limbischen System und dem Hippocampus zusammenhängt. Erstere Instanz ist das Zentrum menschlicher Emotionen, Letztere ist zuständig für Erinnerungen. Deshalb sind Gerüche so eng mit Gefühlen und Erinnerungen verknüpft.

Dass sich dieser Effekt auch im Traum bemerkbar machen kann, hat Ilona Croy zusammen mit Dr. Laura Schäfer vor ein paar Jahren mit einer Studie belegt. Bereits 2008 zeigte eine Untersuchung der Mannheimer Universitätsklinik und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit, dass wohltuende Gerüche, wie etwa das Aroma von Rosen, Träume in eine positive Richtung beeinflussen können.

Riechen kann gegen Albträume helfen

Daran knüpfte die Studie von Croy aus dem Jahr 2019 an. Die Wissenschaftlerin hatte damals mit Patienten gearbeitet, die mit traumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen hatten, „also aufgrund von besonders schweren Kindheiten oder anderen Traumatisierungen sehr schreckhaft waren und unter Alpträumen litten“, erklärt sie im Gespräch mit dem stern.

Sie stellte den 54 Probanden vier unterschiedliche, angenehme Düfte zur Auswahl: Lavendel, Rose, Pfirsich und Orange. Damit hat das Forschungsteam die Patienten beduftet. Dazu erhielten sie einen Nasen-Stick, "eine Art Nasenring mit dem Duft darin", beschreibt Croy.

Düfte müssen positiv bewertet werden

Täglich mussten die Patienten einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie ihre Schlafqualität und ihre Träume bewerteten, jeweils eine Woche vor dem Versuch und eine Woche mit dem Duft in der Nase. "Es stellte sich heraus, dass sich der Trauminhalt verbessert, in dem Sinne, dass die Albträume während der Phase der Beduftung reduziert aufgetreten sind", berichtet die Expertin. Dass uns die Gerüche selbst im Traum beeinflussen, liegt laut der Psychologin daran, dass das Hirn im Schlaf weiterhin Reize – in diesem Fall Duftmoleküle – verarbeitet. Im Gegensatz zu Berührungen oder Geräuschen wache man von Düften aber nicht auf.

Duftlampe auf einem Nachttisch
Um einen angenehmen Geruch im Raum zu erzeugen, rät Ilona Croy zu einer Duftlampe.
© Christin Klose/ / Picture Alliance

Wichtig dabei ist, dass man keine negativen Erfahrungen mit dem Duft verbinde. "Es muss schon ein Geruch sein, der individuell positiv konnotiert ist", sagt Croy im stern-Gespräch. Jeder Mensch nimmt Gerüche subjektiv anders wahr. Wie ein Duft bewertet wird, hängt von der Situation ab, in der man diesen zum ersten Mal wahrgenommen hat. Noch Jahrzehnten später können bestimmte Düfte intensive Erinnerungen wachrufen.

Deshalb können gewisse Gerüche auch traumatische Reaktionen auslösen. Ilona Croy nennt Vietnam-Veteranen als Beispiel, die sich beim Geruch von Diesel sofort in den Krieg zurückversetzt fühlen. Für die Traum-Forschung heißt das, dass es keine spezifischen Düfte gibt, die gegen Albträume helfen. "Es geht eher darum, dass wir einen Reiz im Schlaf bekommen, den wir mit Wohlbefinden verbinden", erklärt die Psychologin.

Riechen seit Corona von größerem Interesse

Die Beduftung bezeichnet die Wissenschaftlerin als eine "sehr schöne, einfache therapeutische Strategie, für Menschen, die unter Albträumen leiden". Besonders für Patienten, die von solch schwerwiegenden Albträumen geplagt sind, dass sie sich nicht einmal mehr einzuschlafen trauen. Aber auch sonst könnten Düfte eine positive Auswirkung auf die Schlafqualität haben. "Das kann man auf jeden Fall mal ausprobieren", findet die Psychologin. Die Umsetzung erfordere wenig Aufwand, außerdem traten in der Studie keine Nebenwirkungen auf. 

Die Rolle, die der Geruchssinn für unsere mentale Verfassung spielt, macht sich meist erst bemerkbar, wenn der Sinn verloren geht – eine mögliche Folge einer Corona-Infektion. "Wie wichtige das Riechen im Alltag ist, merkt man erst, wenn es weg ist“", sagt Riechforscherin Prof. Dr. Antje Hähner in einem Beitrag des NDR. Seit Beginn der Pandemie habe das Interesse am Geruchssinn deshalb deutlich zugenommen. Momentan untersucht die Psychologin, ob Gerüche zur Behandlung depressiver Störungen eingesetzt werden können. "Ich bin gespannt, was in den nächsten Jahren noch so passiert in der Forschung", sagt sie.

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