Steigende Gewaltzahlen Häusliche Gewalt trifft auch Männer. Martin ist eines von 77.000 Opfern pro Jahr. Hier bricht er sein Schweigen.

Von häuslicher Gewalt betroffener Mann
Martin Neumann *) war jahrelang Opfer seiner Frau. Sie hat ihn nicht nur mit Worten stark verletzt 
*) Name geändert
© Bettina Theuerkauf/stern
Rund jedes dritte Opfer häuslicher Gewalt ist ein Mann. Doch die meisten Betroffenen schweigen, aus Scham und Angst. Im stern bricht einer von ihnen sein Schweigen, um anderen Mut machen.

Die Attacke kam aus dem Nichts und mit voller Wucht. "Ich hatte die Spülmaschine eingeräumt, als meine Freundin mich plötzlich anschrie, dass ich völlig unfähig wäre. Sie schnappte den gläsernen Zuckerstreuer, der auf dem Tisch stand, und rammte mir die Metallspitze in die rechte Wange", sagt Martin Neumann (Name von der Redaktion geändert). Die Wunde blutete heftig und musste vom Arzt genäht werden. Neumann dachte sich eine Geschichte aus, wie er sich die Verletzung aus Versehen selbst beigebracht habe. Wie sie wirklich entstanden war, verheimlichte er. Die Freundin nahm ihn später in den Arm und entschuldigte sich bei ihm, erinnert sich Neumann – mehr aus Pflichtgefühl, denn aus echter Reue, so hatte er den Eindruck.

Noch heute, viele Jahre später, ist die kreisrunde Narbe zwischen den Bartstoppeln unter dem Mundwinkel von Martin Neumann zu erkennen. Doch inzwischen redet der 46-Jährige ganz offen über sein Martyrium, das er fast ein ganzes Jahrzehnt lang über sich ergehen ließ. Denn der Angriff mit dem Zuckerstreuer blieb nicht der einzige Gewaltakt. Regelmäßig trat ihm seine Freundin und spätere Frau (ja – sie heirateten sogar in dieser Zeit!) vor die Schienbeine, kniff ihn ins Gesicht und kratzte ihn. Dazu kamen permanente verbale Attacken. "Ich parkte an der falschen Stelle, ich war zu dumm zum Autofahren", erinnert er sich. Dabei spielte es keine Rolle, ob auch Freunde oder andere Menschen die Wutausbrüche mitbekamen.

Häusliche Gewalt: Zahl der betroffenen Männer steigt stark an

Manche Verletzung hat er für sich mit dem Handy dokumentiert. Die Scheidung und weitere rechtliche Auseinandersetzungen laufen, einige persönliche Angaben sind daher an dieser Stelle ein wenig verfremdet. Es ist seine Sicht der Dinge, aber es ist ihm wichtig, dass andere davon erfahren, weil er inzwischen weiß, dass es mehr Männern als man ahnt in Beziehungen so ergeht.

PRODUKTE & TIPPS