Als ich überlegte, für fünf Monate einen Schüleraustausch in der Nähe von Montreal zu machen, war ich überzeugt davon, immun gegen Heimweh zu sein. Sehnsucht nach zuhause? Ich doch nicht! Meine Austauschorganisation warnte uns zwar in einem Workshop davor, aber ich hörte nicht wirklich zu und konnte es kaum abwarten, raus aus meiner kleinen Stadt in Schleswig-Holstein zu kommen. Ich wollte Erfahrungen sammeln, ein neues Land und seine Kultur kennenlernen.
Doch als ich im Frühjahr 2023 meine Koffer packte, überkam mich plötzlich ein Gefühl, das ich zuvor noch nie so gespürt hatte. Ich schob es auf die Aufregung, doch angekommen in Kanada, überfiel es mich erneut: Bei jedem Gedanken an zu Hause kamen mir die Tränen. Nachts träumte ich von meinem Hund, von meinem Weg zur Schule, vom Abendessen mit der Familie, von Lieblingsgerichten und Spaziergängen.
War ich wirklich krank? Und was ist dieses "Heimweh" eigentlich?
Nach zwei Wochen traute ich mich nicht mehr einzuschlafen, weil ich Angst vor dem Aufwachen hatte. Hinzu kamen Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit. Kontakt zu meiner Familie und zu Freunden in Deutschland habe ich gemieden, ich schrieb keine Whatsapp-Nachrichten, postete nichts auf Instagram, wahrscheinlich aus Selbstschutz. Ich fühlte mich elend und krank. Aber war ich wirklich krank? Und was ist dieses "Heimweh" eigentlich?