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Archäologie Hobby-Archäologe entschlüsselt Schriftsystem aus der Eiszeit

Ein Besucher vor Zeichnungen aus der Eiszeit in der Höhle von Lascaux
Der Hobby-Archäologe untersuchte unter anderem Malereien aus der Höhle von Lascaux in Frankreich, in der Zeichnung aus der Eiszeit zu sehen sind
© Philippe Lopez / AFP
Ein Hobby-Archäologe hat in Großbritannien möglicherweise ein jahrtausendealtes Schriftsystem aus der Eiszeit entschlüsselt. Offenbar handelt es sich um einen Mondkalender. Experten sind verblüfft. 

Die Entdeckung eines Hobby-Archäologen könnte Teile der Menschheitsgeschichte umschreiben. Wie unter anderem der britische "Guardian" berichtet, konnte der Brite Ben Bacon ein primitives Schriftsystem in den Höhlenmalereien von Lascaux und Altamira entschlüsseln, das offenbar von Jägern und Sammlern während der Eiszeit vor 20.000 Jahren benutzt wurde.

Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Höhlenzeichnungen, die Bacon untersuchte, nicht nur eine Form des künstlerischen Ausdrucks waren, sondern auch dazu dienten, komplexe Informationen über den Zeitpunkt der Fortpflanzungszyklen von Tieren aufzuzeichnen. Das würde bedeuten, dass diese "Proto-Schrift" etwa 10.000 Jahre älter ist als bisher bekannte Aufzeichnungssysteme.

Schrift aus der Eiszeit 10.000 Jahre älter als vergleichbare Systeme

Bacon sagt über sich selbst, er sei nur "ein normaler Typ von der Straße", aber dennoch ließ ihn die Faszination der Höhlenmalereien nicht los. Unzählige Stunden habe er damit verbracht, die Zeichnungen zu analysieren, bis er zu der Theorie kam, rätselhafte Punktfolgen könnten die Darstellung eines Mondkalenders sein. Mit seinen Erkenntnissen wandte er sich an eine Gruppe von Wissenschaftlern, die ihn darin bestärkten, seine These weiter zu verfolgen. 

Bacon arbeitete daraufhin mit einem Team zusammen, dem zwei Professoren der Universität Durham und ein Professor des University College London angehörten. Sie veröffentlichten einen Artikel im "Cambridge Archaeological Journal". 

Prof. Paul Pettitt, Archäologe an der Universität Durham, sagte, er sei "froh, dass er es ernst genommen hat", als Bacon ihn kontaktierte. "Die Ergebnisse zeigen, dass eiszeitliche Jäger und Sammler die Ersten waren, die einen systemischen Kalender und Markierungen verwendeten, um Informationen über wichtige ökologische Ereignisse innerhalb dieses Kalenders festzuhalten", so Pettitt.

Punktfolgen sind schon lange bekannt, doch niemand konnte sie bislang entschlüsseln

Höhlenmalereien von Tierarten wie Rentieren, Fischen, Bisons und den heute ausgestorbenen Rindern Auerochse wurden in ganz Europa gefunden. Neben diesen Bildern wurden auf mehr als 600 eiszeitlichen Bildern an Höhlenwänden und tragbaren Gegenständen in ganz Europa Punktfolgen und andere Markierungen gefunden. Archäologen glauben seit langem, dass diese Markierungen eine Bedeutung haben, doch niemand konnte sie bisher entschlüsseln.

Bacon machte sich daran, diese Codes zu knacken, indem er frühere Forschungen und Höhlenbilder in der British Library heranzog und auf wiederkehrende Muster untersuchte. Er sagte, es sei "surreal", herauszufinden, was die Menschen vor 20.000 Jahren sagten.

Anhand der Geburtszyklen ähnlicher heutiger Tiere schlussfolgerte das Team, dass die Anzahl der Zeichen, die mit eiszeitlichen Tieren assoziiert wurden, eine Aufzeichnung des Mondmonats seien, in dem sich diese Tiere paarten. Die Forscher gehen zudem davon aus, dass ein "Y"-Zeichen, das durch zwei zusammengeführten Linien gebildet wird, "Geburt" bedeutet.

Aufzeichnungen gelten laut Definition nicht als "Schrift"

Pettitt sagte: "Wir können zeigen, dass die Menschen, die in den Höhlen von Lascaux und Altamira spektakuläre Kunstwerke hinterlassen haben, auch eine Aufzeichnung der frühen Zeitmessung hinterlassen haben, die erst bei unserer Spezies üblich werden sollte."

Da man davon ausgeht, dass die Zeichen eher numerische Informationen als Sprache aufzeichnen, gelten sie nicht als "Schrift" im Sinne der piktografischen und Keilschriftsysteme, die in Sumer, im heutigen Irak, ab 3.400 v. Chr. entstanden, sondern als Proto-Schriftsystem. 

Bacon sagte, durch die Arbeit fühlten sich die für die Zeichnungen verantwortlichen Menschen "plötzlich viel näher". "Während wir tiefer in ihre Welt eindringen, entdecken wir, dass diese alten Vorfahren uns sehr viel ähnlicher sind, als wir bisher dachten."

Die Ergebnisse haben das Team dazu ermutigt, weitere Forschungen über die Bedeutung anderer Markierungen in Höhlenzeichnungen anzustellen.

"Wir hoffen, und die ersten Arbeiten sind vielversprechend, dass wir durch die Entschlüsselung weiterer Teile des Proto-Schrift-Systems ein Verständnis dafür gewinnen können, welche Informationen unseren Vorfahren wichtig waren", so Bacon.

Quellen: "The Guardian", Orf.at, "Cambridge Archaeological Journal"

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