Chianti, Pinot Grigio, Amarone: Grandiose Weine sind nicht nur eines der Aushängeschilder Italiens schlechthin, sondern auch einer der wichtigsten Exportschlager des "Bel Paese". Und nun wird plötzlich bekannt, dass Millionen von Flaschen günstiger Italo- Rebsäfte mit krebserregenden Stoffen versetzt wurden. Gleichzeitig ist auch der weltberühmte "Brunello di Montalcino" wegen Betruges ins Visier der Ermittler gerückt.
Es ist nicht nur eine Erschütterung für den Sektor, sondern kommt einem Erdbeben gleich. Ins Rollen brachte den Stein das Nachrichtenmagazin "L'Espresso". In seiner neuesten Ausgabe berichtet das Wochenblatt in großer Aufmachung von den Hintergründen des Skandals. Den Angaben zufolge sind rund 70 Millionen Liter Wein in der Preisklasse zwischen 70 Cent und zwei Euro in den Handel gelangt, die mit chemischen Düngemitteln und Salzsäure gepanscht wurden.
"Ein höllischer Cocktail"
Gegen 20 Winzer vor allem in Norditalien wurden Ermittlungen eingeleitet. Sie sollen durch die Beimischung der gefährlichen Substanzen die Produktionskosten um bis zu 90 Prozent gedrückt haben. Zeitungen in Italien sprachen von einem "höllischen Cocktail", der nur zu einem Fünftel aus Rebsaft produziert worden sei. "Dieser Frankenstein-Wein ist ein Skandal", titelte "La Repubblica" in großen Lettern.
Angesichts des Ausmaßes der Ermittlungen kommen Erinnerungen an das bisher wohl größte Weindrama hoch, das "Bella Italia" 1986 erschüttert hatte. Damals waren zahlreiche mit Methanol versetzte Flaschen in den Handel gelangt, deren Verzehr über 20 Menschen das Leben kostete, rund ein Dutzend Konsumenten verloren das Augenlicht. Eines der jetzt ins Visier gelangten Weingüter aus Veronella bei Verona stand damals ebenfalls im Mittelpunkt des Skandals.
Fälschen für den amerikanischen Markt
Aber nicht nur Billigweine stehen am Pranger, sondern auch der renommierte "Brunello di Montalcino". Winzer in der Toskana, wo der Wein produziert wird, sollen mehrere Rebsorten gemischt haben, um dem normalerweise sehr schweren Rotwein eine etwas leichtere und süßere Note zu verleihen. Angeblich wollten die Weingüter damit vor allem den amerikanischen Markt beglücken, der 25 Prozent der gesamten Brunello-Produktion importiert, aber gleichzeitig etwas zartere Weine bevorzugt. Laut Gesetz darf sich ein Wein aber nur dann "Brunello" nennen, wenn er zu 100 Prozent aus Sangiovese-Trauben produziert wurde.
Ermittler beschlagnahmten jetzt allein beim berühmten Weingut "Castello Banfi" 600.000 Flaschen Brunello und sechs Weinberge. Auch gegen andere namhafte Weingüter wie Antinori und Frescobaldi wird ermittelt. "Wir sind nur deshalb ins Visier geraten, weil wir auch Merlot-Weinberge haben, aber wir haben diese Trauben nie mit Brunello gemischt", sagte Francesco Tiralongo, ein Sprecher von Frescobaldi. "Wir warten einfach ab, bis die Anschuldigungen für nichtig erklärt werden, aber natürlich ist diese Geschichte sehr geschäftsschädigend."
Auch das Haus Banfi hat Angst um seine rund 450 Mitarbeiter, sollten die Verkaufszahlen im Zuge der Ermittlungen drastisch sinken. "Das ist ein Angriff auf das gesamte "Made in Italy"", erzürnte sich Banfi-Vizepräsident Remo Grassi. Der Wein-Eklat in Italien kam dabei zu einem gänzlich ungünstigen Zeitpunkt: Seit Donnerstag haben sich tausende Winzer aus allen Landesteilen in Verona zur "Vinitaly", der größten Weinmesse des Jahres, versammelt.