Um das Klima zu schützen, müssen die Emissionen drastisch gesenkt werden. Doch das reicht nicht. Nach Einschätzung des Weltklimarates ist das im Pariser Abkommen vereinbarte Ziel, den Temperaturanstieg bis 2050 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, nicht mehr realistisch. Stattdessen schlägt das Gremium nun vor, sich an den Klimawandel anzupassen. Um eine Erwärmung von zwei Grad oder darüber hinaus zu verhindern, muss der CO2-Ausstoß trotzdem weiter reduziert werden.
Politisch gesehen läuft es aber nur schleppend. Jüngst hatte Deutschlands Finanzminister Christian Lindner etwa angedroht, das EU-weite Verbrenner-Aus mit einem Veto zu boykottieren. Die als unzureichend kritisierte Klimapolitik treibt Aktivisten auf die Straßen, um dagegen zu protestieren. Auch (Klima-)Wissenschaftler nehmen an Klebeaktionen teil, in der Hoffnung, dass ihre Forschungsergebnisse politisches Gehör finden. Andere suchen derweil weiter nach Lösungen, um die Erderwärmung aufzuhalten.
Zuletzt hat sich eine Forschergruppe um den renommierten Klimawissenschaftler James E. Hansen in einem offenen Brief dafür ausgesprochen, Geoengineering-Projekte stärker zu erforschen. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, mit denen die Erderwärmung künstlich aufgehalten wird. In dem offenen Brief, der von 60 Forschern unterzeichnet wurde, ging es vor allem die sogenannte "Solar Radiation Modification" (SRM). Bisher ist das Feld Geoengineering kaum erforscht, Risiken unbekannt, mahnen Kritiker. Ein Überblick zum aktuellen Stand:
Welche Methoden gibt beim Geoengineering?
Den Fachbegriff definiert der Weltklimarat als "eine breite Gruppe von Methoden und Technologien, die darauf zielen, vorsätzlich das Klimasystem zu ändern, um die Folgen des Klimawandels abzumildern". Eine Möglichkeit ist die "Solar Radiation Modification" (SRM). Kleine Partikel sollen Sonnenstrahlen ablenken, damit sich die Erde nicht weiter erwärmt.
Auch die Idee, CO2 aus der Luft zu filtern oder direkt an Kohlekraftwerken zu entnehmen und am Meeresboden oder unterirdisch zu lagern, ist eine Methode im Geoenginieering. Norwegen lagert bereits flüssigen Kohlenstoff in ehemaligen Erdgas- und Erdöllagerstätten. Auch der Konzern Wintershall Dea plant im Rahmen des Projektes Greensand bis 2025 bis zu 1,5 Millionen und bis zum Jahr 2030 8 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid unter dem Meeresboden in Dänemark zu speichern.
Warum steht SRM gerade im Fokus?
In dem offenen Brief der 60-köpfigen Forschergruppe geht es darum, wie man die Erderwärmung in der Atmosphäre steuern kann. Diese Methode ist in der Wissenschaft mindestens so interessant wie umstritten und nicht sonderlich alt. Entstanden ist sie nach dem Vulkanausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991. Bei der Eruption gelangten Schwefelpartikel in die Atmosphäre, die die Sonnenstrahlen reflektierten und die Erdtemperatur um ein halbes Grad senkten. Das will sich die Wissenschaft nun im Kampf gegen den Klimawandel zunutze machen. In den USA findet bereits seit mehreren Jahren ein groß angelegtes Experiment statt. Im Februar startete die größte US-Forschungskampagne zur künstlichen Klimakühlung.
Wie sollen Partikel die Erderwärmung aufhalten?
Es gibt drei verschiedene Arten der SRM-Methode, das Prinzip bleibt aber dasselbe:
- Stratospheric Aerosol Injection: Hierbei werden feste oder flüssige Partikel in die Stratosphäre geschossen. Sie befindet sich direkt über der Troposphäre, bildet also die zweite Schicht unserer Atmosphäre, wo auch die Ozonschicht angesiedelt ist. Aktuelle Forschungsprojekte befassen sich derzeit mit dieser Methode.
- Marine Cloud Brightning: Meeressalzpartikel werden den Meereswolken zugeführt, damit sie die einfallenden Sonnenstrahlen stärker reflektieren.
- Cirrus Cloud Thinning: Cirruswolken bewegen sich meist in einer Höhe von sechs und zwölf Kilometern über der Erde. Die aus Eiskristallen bestehenden Schleierwolken können mit Aerosolen bestückt werden, um die Infrarotstrahlung der Sonne zurückzuhalten.
Wie laufen die Experimente zur künstlichen Klimakühlung?
Die Forscher der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) untersuchen die Stratosphäre derzeit nach Partikeln, um deren Zusammensetzung und Häufigkeit zu überprüfen. Die größte Messkampagne startete im Januar im Bundesstaat Texas. Weitere Messflüge über Costa Rica und über der südlichen Hemispäre sind im kommenden Jahr geplant. Im Fachblatt "Sience" betonten die Forscher allerdings, dass es sich noch um Grundlagenforschung handelt.
Ein Forscherteam aus dem US-Bundesstaat Utah hat derweil festgestellt, dass eine künstliche Wolke aus Mondstaub die globale Temperatur senken könnte. Bisher wurde das aber nur per Computersminulation getestet, denn noch ist unklar, wie das alles technisch umgesetzt werden soll.
Welche Vorteile birgt das Geoengineering?
Die Klimaziele sind unerreichbar geworden. Deshalb gilt Geoengineering als vielversprechende Methode, um den Kampf gegen den Klimawandel fortführen zu können. Die Entnahme von Kohlenstoff aus der Luft gilt dabei als risikoärmere Variante als Partikel gegen Sonnensrahlen in die Atmosphäre zu pusten.
Gibt es auch Nachteile?
Geoengineering bleibt insgesamt aber umstritten. Das Feld ist bislang kaum erforscht, die Risiken deshalb ungewiss. Beispiel Kohlenstoffspeicherung: Noch ist völlig unklar, wie lange das CO2 unter der Erde oder am Meeresgrund gelagert werden kann. Durch Naturkatatstrophen, Kriege oder Unfälle könnte das Treibhausgas wieder entweichen. Zudem haben die Maschinen zur Filterung des CO2 einen immensen Energieverbrauch. Forscher halten es zudem für unwahrscheinlich, dass eine Entnahme von Kohlenstoffdioxid aus der Luft gefährliche Klimaveränderungen kurzfristig verhindern können.
Weitaus umstrittener ist allerdings die Methode, Partikel in die Atmosphäre zu schleusen und die Sonnenstrahlen abzulenken. Der Weltklimarat rät derzeit davon ab. Denn bei der SRM handelt es sich um einen massiven Eingriff in die Natur. Befürworter der Methode mögen dem zwar entgegensetzen, dass der Mensch das Klima bereits massiv beeinflusst hat. Als größtes Gegenargument wird derzeit noch die Unsicherheit angeführt.
Zum einen stellt sich die Frage, wie die Aerosole in die Stratosphäre gelangen sollen. Die Partikel haben eine Überlebensdauer von ungefähr einer Woche, die Stratosphäre müsste demnach regelmäßig "befüllt" werden. Das Max-Planck-Institut hat berechnet, dass dafür täglich mindestens 7000 Flüge mit Spezialfliegern notwendig wären, um jährlich ein Grad einzusparen.
Zudem ist unklar, welche Partikel sich am besten eignen würden. Schwefelpartikel könnten die Ozonschicht schädigen, Staub den Himmel verdunkeln. Infolgedessen dürften mehr Menschen an Depressionen erkranken. Zudem rechnen Experten damit, dass SRM den Sommermonsun in Ländern wie China und Indien beeinträchtigen könnte. Unklar bleibt auch, ob die Methode dauerhaft angewandt werden muss – oder was passiert, wenn keine Partikel mehr in die Stratosphäre geschleust werden.
Denkbar wäre ein massiver Temperaturanstieg, da diese Methode keinen Anreiz bietet, die Emissionen zu verringern. In Mexiko formiert sich bereits Protest gegen Geoengineering-Projekte: In Mexiko haben Wissenschaftler ein Dokument unterzeichnet, in dem sie ein Abkommen über den Verzicht auf die Nutzung solaren Geoengineerings fordern. Jegliche Experimente wurden verboten.
Gleichzeitig könnte Geoengineering politische Konflikte schüren. Denn die Aerosole halten sich in der Stratosphäre nicht an Ländergrenzen. Demnach müsste sich die Weltgemeinschaft gemeinsam auf die Durchführung solche Experimente einigen.
Umwelt- und Klimaexperten namhafter Gremien wie der Vereinten Nationen oder des Weltklimarats befürworten zwar, dass das Feld Geoengineering weiter erforscht wird. Dennoch sehen sie derzeit nur eine Lösung, um den Klimawandel zu stoppen: die Emissionsreduktion.