IPCC-Bericht 2022 Haben wir den Kampf gegen den Klimawandel aufgegeben? Klimarat plädiert für Anpassung

IPCC veröffentlicht zweiten Teil des Sachstandsberichts zum Klimawandel
Reichen ein paar Windräder und E-Autos, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten?
© Patrick Pleul / DPA
Selten war der Klimawandel auch in Europa so spürbar wie jetzt. Auf einer Konferenz tagt nun der Klimarat. Die wichtigste Erkenntnis: Der Klimawandel ist nicht aufzuhalten – wir müssen lernen, mit ihm zu leben. Nur, wie soll das gehen?

Es ist Mitte Februar als sich die Mitglieder des Weltklimarats (IPCC) zu einer zweiwöchigen Beratung zusammensetzen. Am Ende soll ein Bericht zur aktuellen Lage herauskommen. Den ersten Teil hatte das Gremium schon im letzten August veröffentlicht. Ende Februar folgt der zweite Teil – inklusive Handlungsempfehlungen für Politik und Gesellschaft. Schon vor dem Treffen ist klar, dass "noch nie mehr auf dem Spiel stand". So formulierte es der Vorsitzende Hoesung Lee zum Auftakt der Konferenz.

Vertreter von Umweltorganisationen pflichten ihm bei. Die Auswirkungen es Klimawandels seien weit größer "als unsere Bemühungen, uns ihm anzupassen", warnte etwa die Chefin des UN-Umweltprogramms (Unep). "Wenn wir uns unserer eigenen Lebensgrundlagen nicht weiter berauben wollen, muss der Klimaschutz ab sofort höchste Priorität haben", fordert daher eine Vertreterin der Umweltorganisation WWF Deutschland. Die Energiewende sei für das "Wohl von Mensch und Natur unabdingbar".

Bereits im letzten Sommer hatte das IPCC gewarnt: Die Erde werde sich schneller erwärmen als bisher angenommen. Laut den Prognosen ist mit einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bis 2030 zu rechnen – das sind zehn Jahre früher als es der Klimarat noch 2018 prognostizierte.

In dem aktuellen Entwurf des neuen Berichts, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, geht es nun vor allem darum, wie sich die Gesellschaft am besten an den Klimawandel anpassen könnte. Dass dieser zur echten Bedrohung geworden ist und unaufhaltsam voranschreitet, ist mittlerweile eindeutig.

Klimawandel: Zwischen Dürren und Überschwemmungen

Portugal und Spanien sind hierfür nur zwei Beispiele. Dort macht die anhaltende Trockenheit der Bevölkerung zu schaffen. Schon im Winter fehlt es an Wasser für den Tourismus, die Landwirtschaft und die Stromerzeugung. Nach Angaben der Wetterdienste verzeichnen beide Länder den trockensten Januar seit dem Jahr 2000. Die aktuelle Dürre sei außergewöhnlich wegen "ihrer Intensität, ihres Ausmaßes und ihrer Länge", sagt der Klimawissenschaftler Ricardo Deus von der portugiesischen Meteorologiebehörde IPMA.

Von den 55 portugiesischen Stauseen sind laut dem Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union derzeit 24 nur zur Hälfte und fünf nicht einmal zu 20 Prozent gefüllt. In Spanien ruiniert die Trockenheit seit Ende letzten Jahres die Ernten, lässt das Viehfutter knapp werden und behindert die Stromerzeugung aus Wasserkraft. Die Wasserspeicher sind nach Behördenangaben derzeit nicht einmal zu 45 Prozent gefüllt.

Wissenschaftler schreiben diese Entwicklung eindeutig dem Klimawandel zu. Das Problem werde jedoch anhalten, solange die Treibhausgasemissionen nicht reduziert würden. Demnach seien auch weiterhin steigende Temperaturen und anhaltende Dürreperioden zu erwarten.

Doch das gilt nicht für alle Regionen der Erde. Andernorts kann es durchaus etwas nasser werden. Etwa an den US-Küsten. Laut Behördenangaben sei der Meeresspiegel dort in den letzten dreißig Jahren so stark angestiegen wie in den vergangenen 1000 Jahren zusammen. Laut einem Bericht, an dem unter anderem die Raumfahrtbehörde Nasa und die Umweltbehörde NOAA beteiligt waren, könnten die Wasserstände an den Küsten bis 2050 um weitere dreißig Zentimeter steigen. Die Folge: mehr und vor allem weitreichende Überschwemmungen in den Küstengegenden.

In Deutschland haben die Überschwemmungen in der Region Ahr und Erft im Juli 2021 den Klimawandel real gemacht. Mehr als 180 Menschen kamen dort nach Starkregen ums Leben, den es nach Studien ohne menschengemachten Klimawandel in dieser Intensität nicht gegeben hätte.

Ein neues Leben?

Doch was kann man dagegen tun? Klimaschädliche Emissionen senken? Damit ist es längst nicht mehr getan. Was es braucht, sind Anpassungsmaßnahmen – und möglicherweise müssen wir uns auch von einigen Lebensgewohnheiten verabschieden. Was nicht bedeutet, dass Treibhausgase nicht mehr reduziert werden sollten.

Aber: "Es kann nicht nur darum gehen, dass künftig alle Elektroauto fahren und ansonsten weiterleben wie bisher", sagt Tabea Lissner, Co-Leiterin des Wissenschaftsteams von Climate Analytics in Potsdam, der Deutschen Presse-Agentur. Und auch kleine Schutzwälle an besonders exponierten Stellen reichen längst nicht aus. Stattdessen müssten an bestimmten Flussregionen Begradigungen zurückgebaut werden, um das ursprüngliche Flussbett wiederherzustellen. Wo nötig könnten auch durch Straßen und Bauten versiegelte Böden geöffnet und so umfunktioniert werden, dass das Hochwasser versickern kann. Einige Flächen könnten künftig also nicht mehr wie gewohnt genutzt werden.

Auch naturnahe Wälder wieder herzustellen, gilt als sinnvolle Anpassungsmaßnahme. Wälder nehmen nicht nur Kohlenstoffdioxid auf, sondern regulieren den Wasserhaushalt einer Region und dienen als Lebensraum für Arten. Nach einem UN-Bericht ist die durchschnittliche Artenvielfalt in ländlichen Lebensräumen in den letzten 120 Jahren allerdings um mindestens 20 Prozent zurückgegangen. Eine Million Arten sind demnach vom Aussterben bedroht, mehr als je zuvor in der Menschengeschichte.

Klimaschutz und Artenschutz bedingen sich daher gegenseitig. Problematisch bleibt laut Wissenschaft jedoch das Verhältnis zur Landwirtschaft: Wälder konkurrieren mit landwirtschaftlichen Flächen, die zur Versorgung der Bevölkerung notwendig sind. Für Klimaexperten ist deshalb klar, dass für effektiven Klimaschutz der Lebensstil verändert werden muss.

Die meisten Maßnahmen kosten Geld. Aber auch die Schäden, die der Klimawandel verursacht, sind überaus kostspielig. Vor allem ärmere Weltregionen leiden darunter. Klimafinanzierung zählt laut Lissner ebenfalls zu den Anpassungsmaßnahmen. Vor allem reiche Länder hätten ihren Wohlstand auf Kosten des Klimas aufgebaut und seien dafür historisch für den Großteil des Klimawandels verantwortlich. 2009 hatten diese zugesagt, armen Ländern 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. 2020 sollte das Stichjahr sein, eingehalten wurde das Versprechen bis dahin nicht. Man gewährte sich einen Aufschub bis 2025.

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