Landwirtschaft Stimmt es, dass das Ackerland in Deutschland schrumpft?

Ackerabbau in Deutschland
Erdhaufen liegen während der Erschließungsarbeiten für ein Neubaugebiet auf einem Feld
© Jan Woitas / Picture Alliance
Zu Beginn des Jahrtausends beschloss die Bundesregierung, bis 2020 den Verbrauch von Agrarflächen für Siedlungsbau und Verkehr auf pro Tag 30 Hektar zu begrenzen. Dieses ehrgeizige Ziel wurde verfehlt – mit teils fatalen Folgen für Natur und Landwirtschaft.

Stimmt es, dass das Ackerland in Deutschland schrumpft? 

Ja. Heute gehen täglich gut 52 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verloren – das entspricht 73 Fußballfeldern. Von 2004 bis 2019 wurden 800.000 Hektar Ackerland, Wiesen und Weiden umgewandelt: etwa in neue Straßen oder Flächen für Industrie, Gewerbe und Wohnungsbau. 

Rund 45 Prozent der zusätzlichen Siedlungs- und Verkehrsfläche werden versiegelt, das heißt bebaut, betoniert, asphaltiert oder gepflastert. Regenwasser kann nicht mehr versickern, was gerade in Zeiten des Klimawandels ein großes Problem darstellt. Zum einen werden die Grundwasservorräte nicht aufgefüllt, zum anderen steigt die Gefahr von Überschwemmungen.

Die Bundesregierung bekundete bereits 2002, die Flächenverluste durch Siedlungsbau und Verkehr bis 2020 auf unter 30 Hektar pro Tag reduzieren zu wollen. Dieses ehrgeizige Ziel ist bisher nicht erreicht und wurde auf 2030 verschoben. Trotzdem ist der Schwund des natürlichen Bodens bereits deutlich gebremst: 1997 gingen im Mittel noch 129 Hektar pro Tag verloren. 

Stimmt es eigentlich, dass ...

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Ackerland wird immer teurer 

Für die Landwirte in Deutschland ist die Entwicklung fatal. Die anhaltend hohe Nachfrage hat in den letzten Jahrzehnten zu einem erheblichen Preisanstieg für Agrarflächen gesorgt. In einigen Regionen liegt der Hektarpreis inzwischen bei mehr als 100.000 Euro – ein Anbau von Ackerfrüchten lohnt sich dann kaum noch.  

Ein weiterer Preistreiber ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das den Lieferanten über Jahre feste Abnahmepreise für nachhaltig erzeugten Strom aus Biogas, Solar- und Windkraft garantiert. Seit 2007 investierten deshalb viele Betriebe in den Bau einer Biogasanlage. Neben Gülle wurde Mais zum wichtigsten Rohstoff für die Stromerzeugung aus Biogas. Die Landwirte benötigen also für den Maisanbau zusätzliche Flächen. 

Schließlich verstärken auch die gesetzlichen Vorgaben für die Ausbringung von Gülle die Nachfrage nach Ackerland. Denn Betriebe mit Tierhaltung müssen je nach Größe des Bestandes über eine gewisse Fläche verfügen. Mit dem Wachstum der tierhaltenden Betriebe wächst also auch ihr Flächenbedarf. Deshalb sind die Boden- und Pachtpreise vor allem in Regionen mit intensiver Nutztierhaltung, etwa in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, besonders hoch. 

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Mit fallenden Preisen ist vorerst nicht zu rechnen. Vor allem Familienbetriebe können sich zusätzliche Flächen daher nicht leisten. Im Bundesumweltministerium hat man offenbar die Dringlichkeit erkannt, von dort kommt aktuell die Forderung, das Reduktionsziel der Regierung bis 2030 noch deutlicher von unter 30 auf 20 Hektar Flächenverlust pro Tag zu senken.  

Hildegard Frilling

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