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Biografie Lord Cornwallis – warum der Mann, der die USA verlor, trotzdem gefeiert wurde

Cornwallis kapituliert in Yorktown. Historisch wenig akkurates Gemälde von John Trumbull,
Cornwallis kapituliert in Yorktown. Historisch wenig akkurates Gemälde von John Trumbull,
© Commons
Lord Cornwallis kam durch Geburt zu seinen Ämtern. Der Unabhängigkeitskrieg der USA ging durch seine wenig energische Führung verloren. Seinem Ansehen tat das keinen Abbruch.

Mitten im Krieg gegen Napoleon verlor Britannien drei seiner größten Helden. Innerhalb von wenigen Wochen fiel Nelson bei Trafalgar, Premierminister William Pitt wurde von allzu viel Arbeit dahingerafft – vor den beiden verschied schon Charles, erster Marquis von Cornwallis.

Dieses Trio stellt Richard Middleton in seiner Biografie von Cornwallis zusammen. Nicht nur der kontinentale Leser stutzt bei diesem Triumvirat. Was macht Cornwallis in dieser Runde, dessen größte Tat es war, den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg krachend zu verlieren? Zu Lebzeiten war Cornwallis allerdings hochgeachtet, selbst die Kapitulation seiner Streitkräfte in Yorktown galt als verzeihlich. Doch heute verblassen seine Verdienste in Indien, die Reihe seiner Fehleinschätzungen in amerikanischen Krieg dagegen nicht.

Zu bieder für die Schlachten 

Ein energischerer Soldat, als es Cornwallis war, hätte den Aufstand schnell niedergeworfen. Am 2. Januar 1777 konnte Cornwallis die Armee von George Washington bei Trenton festnageln. Einer seiner Offiziere drängte auf einen sofortigen Nachtangriff, der hätte die Amerikaner und die Revolution erledigt. Doch ein Kampf im Dunklen dünkte Cornwallis zu riskant. "Wir haben den alten Fuchs jetzt im Sack. Lass uns rübergehen und ihn morgen früh einpacken", sprach er und ging zu Bette. Auf die Idee, dass sich der Fuchs in der Nacht seinem Griff entziehen konnte, kam Cornwallis nicht. Am nächsten Morgen war Washington verschwunden.

Die Verdienste des eingebildeten, aber auch biederen Cornwallis lagen nicht in geschliffen Wortduellen oder auf dem Schlachtfeld, sein Reich waren Verwaltungsreformen. Doch ein guter Bürokrat wird kaum zum nationalen Helden. Seine größten Heldentaten waren die Reformen in Indien, mit denen er das Land dem Zugriff der privaten Ostindien-Kompanie entziehen konnte und so die Grundlagen für das viktorianische Empire schuf. Doch zu seinem Unglück haben Verdienste um die Ausbreitung von Kolonialismus und Imperialismus heute keine Konjunktur.

Lord Cornwallis – ein Mann der Langeweile

Cornwallis war in vielen Dingen ein gutmütiger Mann. Die religiöse Intoleranz seiner Zeit war ihm wesensfremd. Die Sklaverei zumindest innerlich verhasst, wie auch der Krieg und die Grausamkeit an sich. In einer Zeit, in der es an skurrilen und bizarren Charakteren nicht mangelte, fällt Cornwallis durch seine Langeweile auf. Kein Spleen und keine Skandale begleiten ihn. Die Briten des frühen 19. Jahrhunderts mögen das geschätzt haben, waren sie doch seit der Regency allerlei Verkommenheiten der Oberen gewohnt – doch einen spannenden Charakter macht das nicht aus. Cornwallis ist ein typisches Produkt der britischen Klassenherrschaft. Jeder Fehler wurde mit einer Beförderung belohnt, weil Cornwallis seine Niederlagen mit fehlerfreier Haltung ertrug. "Kein Offizier im Unglück war jemals so beliebt wie er", schrieb ein Zeitgenosse. Ohne seine hohe Geburt hätte er es allerdings kaum über eine mittlere Laufbahn hinausgebracht.

Vielleicht war es sein Unglück, dass ein friedlicher und behäbiger Mann ausgerechnet den Krieg gegen die freiheitsliebenden Kolonisten in Nordamerika führen sollte. Seinem einfachen Gemüt fehlte es stets daran, die Schliche und Tücken anderer zu durchschauen oder gar vorherzusagen. Dass seine Offiziere sich in den Ruhepausen der Kämpfe mit liederlichen Frauen vergnügten, war ihm unbegreiflich. Das ganze Wesen der Aufstände verstand er nicht. Für Cornwallis gab es keine Welt außerhalb Britanniens. Die Rebellen in Irland wollten nicht die Freiheit, es waren einfach "verblendete Elende". Dass die Kolonisten in Amerika sich von der Krone abwandten, konnte sich Cornwallis nur durch Lug und Trug erklären. Er war sich sicher, dass die amerikanischen Rebellen allein "durch die Tyrannei ihrer bösen Anführer in der Dunkelheit gehalten" wurden und so das Licht der Monarchie nicht erkennen konnten.  

Ohne Skandale 

Den Krieg in den USA führte er gewissenhaft und ohne persönliche Fehler. Aber anders als in der Verwaltungsreform machte sich hier der Mangel an Brillanz, Energie und auch an Fortune bemerkbar. Cornwallis führte den Krieg wie eine Partie Schach beim Tee. Und so war es folgerichtig, mit den Truppen den Winter in Yorktown verbringen zu wollen, und den Einschluss durch die Rebellen stoisch hinzunehmen. Schließlich hatte die Marine ihm versichert, dass er und seine Männer immer von See aus versorgt werden würden. Als dann die Überraschung geschah und ein Geschwader von französischen Schiffen unter Admiral de Grasse die Stadt nun auch von der See abschnitt, kapitulierte Cornwallis gleichmütig und gab die Kolonien damit für immer auf. Ein energischerer Feldherr wie etwa Wellington hätte das nicht hingenommen. Doch Cornwallis wurde nach seiner Rückkehr sogar mit einer Parade geehrt. Seinen Soldaten konnte es nur recht sein, dass man damals nicht den Kampf bis zum letzten Mann von ihnen erwartet hatte.

Cornwallis: Soldier and Statesman in a Revolutionary World. Richard Middleton

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