Lebenserwartung der Neandertaler Mit 40 Jahren war Schluss

Konnte sich der Homo sapiens gegen den Neandertaler durchsetzen, weil er eine höhere Lebenserwartung hatte? Ein Anthropologe hat diese These überprüft - und widerlegt.

Warum starben die Neandertaler aus? Theorien dazu gibt es viele. So vermuteten Wissenschaftler zum Beispiel, dass sie einfach zu wenige waren - und Seuchen oder schlechte Ernährungsbedingungen bei der Ausrottung ein leichtes Spiel hatten. Erst vor Kurzem widerlegten Forscher eine andere Theorie zum Aussterben: Neandertaler waren demnach keine reinen Fleischesser, die Ernährungsweise war nicht schuld am Untergang der Spezies. Auch eine andere These kann getrost vergessen werden, behauptet nun zumindest ein US-Anthropologe.

Laut Erik Trinkaus von der Washington University in St. Louis lässt sich das Aussterben der Neandertaler nicht durch eine zu geringe Lebenserwartung erklären. Auch die frühen modernen Menschen, die sich aus Afrika kommend rasch über die Kontinente ausbreiteten, wurden nicht besonders alt. Wenn es einen demographischen Vorteil für die frühen modernen Menschen gegeben habe, war dieser eher das Ergebnis einer höheren Fruchtbarkeit oder einer geringeren Kindersterblichkeit, schreibt der Wissenschaftler in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften.

Nur wenig über 40-Jährige

Trinkaus hatte das Alter zum Todeszeitpunkt bei sogenannten archaischen Menschen, vor allem Neandertalern, mit dem von zwei Gruppen früher moderner Menschen verglichen. Dazu bestimmte er in den einzelnen Gruppen die Zahl der 20- bis 40-Jährigen und verglich sie mit der Zahl der Erwachsenen über 40 Jahren. Das Ergebnis: In allen drei Gruppen gab es nur sehr wenige alte Menschen. Vermutlich sei die Lebenserwartung aufgrund der schweren Lebensbedingungen im späten Pleistozän grundsätzlich gering gewesen, folgert Trinkaus.

Wahrscheinlich wurden ältere Menschen, wenn sie aufgrund von Alterserscheinungen oder von Verletzungen nicht mehr mobil genug waren, von den umherziehenden Gruppen aber auch zurückgelassen und dann unter Umständen von wilden Tieren gefressen. Ihre Überreste finden somit keinen Eingang mehr in die paläontologischen Daten. Es sei auch denkbar, dass die Überreste alter Individuen über die Jahrtausende weniger gut erhalten bleiben als die junger Menschen, oder dass die Altersbestimmung an den Skelettresten nicht ganz zuverlässig sei.

Was immer die Erklärung für die festgestellte Seltenheit älterer Menschen ist, es scheint hinsichtlich der Lebenserwartung keinen erkennbaren Unterschied zwischen den archaischen und den frühen modernen Menschen gegeben zu haben, schreibt Trinkaus. Eine vergleichsweise geringe Lebenserwartung scheint für das Verschwinden der Neandertaler somit nicht verantwortlich zu sein, ­auch wenn sie schließlich von den modernen Menschen "überlebt" wurden.

DPA
lea/DPA

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos

Mehr zum Thema