Streitfall Babyklappe Rettung oder Tragödie?

Sie sollen das Leben von Säuglingen retten, wenn ihre Mütter nicht mehr weiter wissen. Kritiker glauben allerdings nicht, dass Babyklappen tatsächlich Tragödien verhindern - manche befürchten sogar das Gegenteil. Die jüngsten Funde toter Babies haben die Diskussion neu entfacht.

Babyklappen können menschliche Tragödien verhindern und Leben retten - meinen die einen. Andere dagegen sparen nicht mit Kritik und Statistiken. Für sie lösen die Babyklappen die Tragödien erst aus. Über Wohl und Wehe dieser Möglichkeit, Kinder in Krankenhäusern oder speziellen Einrichtungen anonym nach der Geburt abgeben zu können, streiten sich Hilfswerke und Mediziner, Elternvertreter und Politiker leidenschaftlich. Denn ob Babyklappen Todesfälle verhindern ist seit Jahren umstritten. Die traurigen Funde der beiden toten Säuglinge von Hannover und Karlsruhe haben die Diskussion über die Babyklappen wieder angeheizt.

"Diese Klappen haben nicht einen einzigen Fall verhindert", kritisiert der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers immer wieder. Auch die Kinderhilfsorganisation terre des hommes lehnt das Konzept ab: Jedes Jahr kämen zwischen 30 und 40 Kinder in Deutschland ums Leben, weil sie ausgesetzt oder direkt nach der Geburt getötet würden, meint der Adoptionsexperte Bernd Wacker. "Auch in Zukunft wird es vermutlich immer wieder Menschen geben, die so krank sind, dass sie ihre Kinder töten", sagt der Theologe. Dagegen drohten Kindern, die anonym geboren oder abgegeben werden, später seelische Schäden, weil sie niemals ihre Herkunft erfahren könnten.

Nach einer früheren Einschätzung der Bonner Psychiaterin Anke Rohde können anonyme Geburten und Babyklappen das Töten von Säuglingen nicht verhindern. "Frauen, die ihre Kinder an einer Babyklappe abgeben, hätten ihre Säuglinge nicht getötet", hatte Rohde nach dem Tod mehrerer Neugeborener in Frankfurt (Oder) gesagt. Mütter, die töten, hätten das Grundproblem, keinerlei Hilfe annehmen zu können. "Für sie ist deshalb auch die Babyklappe kein Angebot, auf das sie eingehen würden", argumentierte Rohde, die sich seit Jahren auf die Analyse von Kindstötungen spezialisiert und als Therapeutin arbeitet.

Babyklappen als letzter möglicher Weg

Der Hamburger Verein SterniPark, der im April 2000 die erste Babyklappe in Deutschland einrichtete, sieht das anders: "Die Babyklappen sind richtig und wichtig, sie können Leben retten", meint Leila Moysich, die Leiterin des auf Privatinitiative entstandenen Hamburger Projekts Findelbaby, das in den Verein integriert ist. Die Klappen - bundesweit auch als Babykörbe, Babyfenster oder Babynester bekannt - müssten aber "nicht der einzig richtige Weg, sondern der letzte mögliche Weg sein". Schwangeren in Krisensituationen müssten vor allem anonyme Geburten in Krankenhäusern ermöglicht werden. Dennoch seien allein in der Hansestadt seit Beginn des Projektes mehr als 30 Säuglinge in der Klappe abgelegt worden.

Einen Ausweg aus der Zwickmühle versucht der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), der unter anderem in Frankfurt das "Moses- Projekt" anbietet. Seit mehreren Jahren wird verzweifelten Müttern dabei die Möglichkeit gegeben, nach eingehender Beratung ihren Säugling anonym und von Arm zu Arm zu übergeben. Die Mutter könne zudem ihren Namen hinterlassen, falls das Kind später Kontakt aufnehmen wolle. "Das ist sehr hilfreich, weil ein großer Teil der Kinder nicht mit der Anonymität seiner Herkunft leben muss", sagt Barbara Noll vom SkF Frankfurt. Der SkF bietet bundesweit mehrere ähnliche Projekte an.

Die Zahl der Babyklappen in Krankenhäusern, Vereinen, Stiftungen und kirchlichen Einrichtungen ist nach SterniPark-Schätzungen auf deutschlandweit mehr als 80 gestiegen. Strittig ist dabei nach wie vor die Rechtslage, denn ein notwendiges Gesetz, das die Einrichtung von Babyklappen regelt, gibt es nicht. Nach der derzeitigen Rechtslage sind Eltern gegenüber ihrem Kind zum Unterhalt verpflichtet und machen sich strafbar, wenn sie sich dieser Verantwortung entziehen.

Martin Oversohl/DPA

PRODUKTE & TIPPS