Die Laute "f" und "v" gehören zu unserer Sprache ganz normal dazu, wir lernen sie schon als Kleinkinder und benutzen sie, ohne weiter darüber nachzudenken. Das war allerdings nicht immer so. Tatsächlich sind die Laute erst vor relativ kurzer Zeit entstanden – zumindest wenn man es in den Kontext der gesamten Menschheitsgeschichte stellt. Und die Ernährung spielte dabei eine entscheidende Rolle.
Ein Team von Forschenden fand heraus, dass sich in Folge neuer Essgewohnheiten auch der menschliche Kiefer veränderte. Lange ernährten sich die Menschen in erster Linie von Nahrungsmitteln, die das Gebiss stark forderten – Fleisch oder Nüsse zum Beispiel. In der Jungsteinzeit (ab etwa 9500 v. Chr.) jedoch entwickelte sich mit der Neolithischen Revolution die Landwirtschaft. Dadurch veränderte sich auch der Speiseplan.
Weichere Nahrungsmittel machen den Kiefer kleiner
Was ihnen die Natur gab, konnten die Menschen jener Zeit nun viel besser verarbeiten, die Gerichte hatten eine weichere Konsistenz und waren einfacher zu kauen. Die nunmehr deutlich weniger geforderten Kiefer veränderten sich und wurden kleiner. Die Urmenschen hatten noch 44 Zähne statt wie heute 32 (inklusive Weisheitszähne). Standen bei den Jägern und Sammlern die oberen und unteren Schneidezähne genau übereinander – der sogenannte Kopfbiss –, so entwickelte sich bei den Menschen in dieser Zeit ein Überbiss, bei dem die oberen Schneidezähne etwas über den unteren und näher an der Unterlippe stehen.
Das machte es leichter, ein F auszusprechen, da es sich dabei um einen sogenannten Labiodentallaut handelt. Bei dieser Art von Lauten berührt die untere Lippe die oberen Schneidezähne. Menschen, die über einen Überbiss verfügen, fällt das viel leichter, sie benötigen dafür nur zwei Drittel der Muskelkraft. "In Europa finden wir in den letzten zwei Jahrtausenden einen drastischen Anstieg an Labiodentalen, die auf die zunehmende Verbreitung verarbeiteter, weicherer Nahrung zurückgeht und durch die Einführung industrieller Mahlverfahren zusätzlich vorangetrieben wurde", erklärte Steven Moran, einer der Wissenschaftler, die 2019 den Zusammenhang von Ernährung und Aussprache untersuchten.
Achtung: Diese Lebensmittel sind nicht (immer) vegan oder vegetarisch – obwohl viele es glauben

Zusammenhang zwischen Essgewohnheiten und Sprache
Die Forschenden griffen auf Erkenntnisse der biologischen Anthropologie, der Phonetik und der historischen Linguistik zurück. Dabei stellten sich immer wieder Zusammenhänge zwischen veränderten Ernährungsgewohnheiten – beispielsweise der Einführung einer Art Zwieback im Alten Rom oder neuen Methoden der Verarbeitung – und Sprache heraus. Allerdings war dies nicht immer der Fall. Manche Sprechgemeinschaften verhielten sich offenbar besonders konservativ und weigerten sich, ihre Aussprache zu verändern.
Die Veränderung des Kiefers machte also die Aussprache von Worten wie "Fahrrad" oder "Vater" erst möglich – aber sie hatte nicht nur Vorteile. Die kleineren Kiefer brachten uns nämlich auch nicht durchgebrochene Weisheitszähne, engstehende Zähne und Karies.
Quelle: "Science"