Herr Schellnhuber, Angela Merkel sprach von einem "Riesenerfolg": "Eine Halbierung des Ausstoßes von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 werde von allen ernsthaft in Betracht gezogen." Ist das wirklich ein Erfolg oder nur ein Lippenbekenntnis?
Dies ist zumindest die Voraussetzung für einen historischen Erfolg beim Klimaschutz: Wir haben uns nun quasi bis zum Elfmeterpunkt durchgedribbelt und müssen "nur" noch das Tor machen. Dafür wird es aber mehrere Konferenzen im Herbst geben - der Prozess ist enorm beschleunigt worden.
"Das Höchstmögliche, was zu erreichen war, ist erreicht worden", sagte die Kanzlerin. Was hätte Ihrer Meinung nach erreicht werden müssen?
Aus Sicht der Wissenschaft ist das alles überragende Ziel, dass die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt wird. Dem können wir nun im Herbst ganz nahe kommen.
Zur Person
Hans Joachim Schellnhuber ist seit 1993 Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung. Er ist auch Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung und hat am zweiten Teil des UN-Klimaberichts mitgearbeitet.
Es gibt ein Dokument, das eine Vorabversion der G8-Klimaschutz-Erklärung mit Kritik und Anmerkungen der US-Seite enthält. Darin zeichnete sich ein Klimaschutz-ablehnender Kurs der Bush-Regierung ab. Hat die US-Regierung dem Druck nachgegeben?
Dieses Dokument war Teil des Verhandlungspokers, der bei solchen Treffen üblich ist; ich habe es nicht als unverrückbare Position eingeschätzt. Aber offenbar hat die Kanzlerin "im Endspiel" noch etwas mehr bewegt als zuletzt erwartet.
Bush erklärte sich bereit, an einem Kyoto-Nachfolgeabkommen für die Zeit ab 2012 im Rahmen der Vereinten Nationen mitzuwirken - alle, inklusive der USA, hätten den Bericht des Weltklimarates als Grundlage für das weitere Vorgehen anerkannt. Ist das das Ende des US-Sonderwegs?
Eindeutig ja. Die nächste US-Regierung wird diese Entwicklung sogar noch verstärken.
China, Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika kündigten an, dass sie sich auf verbindliche Ziele zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen nicht einlassen wollen. Wie gelingt es, diese Staaten mit einzubeziehen?
Diese Staaten sind sehr wohl bereit, relative Ziele (z.B. verbesserte Standards bei der Energieffizienz oder nationale Quoten für Erneuerbare) anzupeilen. Beim Absoluten müssen aber erst die Industrieländer vorangehen und ihre Glaubwürdigkeit beweisen.