Zwar ist der wissenschaftliche Beweis kaum zu erbringen. Experten halten einen Zusammenhang zwischen der Erwärmung und den Rekordpegeln von Oder und Elbe aber für möglich. "Die Möglichkeit, dass extreme Wetterereignisse eintreten, ist gesteigert", sagt Christian Schönwiese, Professor am Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Fragt man den Forscher nach den Sommern der Zukunft, so erscheint seine Antwort zunächst paradox: "Im Osten geht der Trend laut unseren Modellrechnungen eindeutig zu trockeneren Sommern." Wenn die selteneren Starkniederschläge dann aber einträten, dann falle der Guss tendenziell heftiger aus. "Und das sind dann Ereignisse, wie sie zum Oderhochwasser und zur Elbeflut geführt haben."
Mehr Erwärmung bringt mehr Energie in die Atmosphäre
Allerdings weisen Experten darauf hin, dass es auch in früheren Zeiten extreme Hochwasser gegeben habe - man müsse nur lange genug zurückschauen. Tatsächlich belegten Berichte über das verheerende Magdalenen-Hochwasser von 1342, dass die Elbeflut eben keine Jahrtausendflut war. Um wirklich nachweisen zu können, dass die vielen Hochwasser der vergangenen Jahre nicht nur Zufall sind, benötige man viel länger zurückgehende Wetteraufzeichnungen, meinen die Skeptiker.
Schönwiese stimmt dem zwar zu, sagt aber: "Auch mit 100 Jahren täglichen Niederschlags-Daten kann man schon eine ganze Menge Statistik anstellen." Zumindest belegt die Statistik einen Anstieg der Temperaturen: So waren die letzten zwölf Monate die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1893, wie das Potsdam-Institut ermittelt hat. Höhere Temperaturen führen zu mehr Verdunstung und dazu, dass die Luft größere Mengen Feuchtigkeit aufnehmen kann. "Vereinfacht ausgedrückt bringt die Erwärmung mehr Energie in die Atmosphäre", sagt Schönwiese.
Vb-Wetterverläufe bringen Gefahr
Gefahr für die Anwohner ostdeutscher Flüsse bringen vor allem die so genannten Vb-Wetterverläufe, wie sie vor der Oderflut, dem Elbhochwasser und dem Pfingsthochwasser in den Alpen 2005 beobachtet wurden. Die uralte Meteorologen-Formel Vb (sprich: "Fünf b") steht für den speziellen Verlauf eines Tiefdruckgebiets, das von Großbritannien nach Deutschland und weiter bis zum Mittelmeer ausgreift, wo es Wärme und sehr viel Feuchtigkeit aufnimmt, ehe es dann am Ostrand der Alpen vorbei gen Norden zieht. "Dort entladen sich dann extreme Schauer - wie 1997 und 2002", erklärt der Experte. Das Mittelmeer ist also ein Wasserreservoir, aus dem sich massive Tiefs speisen, die Flutkatastrophen in Deutschland auslösen können.
Erwärmt sich das Mittelmeer weiter, könnten die Vb-Tiefdruckgebiete auch mehr Wasser aufnehmen. Wie sollte Deutschland mit der steigenden Hochwassergefahr umgehen? "Man muss Deiche bauen und Poldergebiete schaffen, in die das Hochwasser ablaufen kann", sagt Schönwiese. Dabei müsse sich der Osten allerdings gleichzeitig auf zwei Wetterextreme einstellen, nämlich auf Trockenheit und extreme Niederschläge. "Grundsätzlich gilt, dass Flüsse nach Möglichkeit nicht kanalisiert werden sollten. Außerdem braucht man Überlaufflächen, so dass die Flutwellen weniger hoch ausfallen."
Sollten Meteorologen eines Tages erneut eine Vb-Wetterlage wie vor Oderhochwasser und Elbeflut feststellen, könnten die betroffenen Regionen allerdings nicht mehr viel tun. "Denn leider gibt es zuverlässige Warnungen immer erst 24 Stunden im Voraus", sagt Schönwiese. Präzise Aussagen darüber, wo die stärksten Niederschläge zu erwarten sein, gebe es sogar erst wenige Stunden vor dem Guss.
Ein Starkregen macht noch kein Hochwasser
Und wie oft können Katastrophen wie die von 1997 und 2002 in Zukunft eintreten? "Das lässt sich pauschal nicht sagen", lautet die Antwort des Wissenschaftlers. Ohnehin könne die Forschung nur Auskunft darüber gebe, wie sich die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Starkniederschlägen verändere. Niederschläge seien aber nur eine von mehreren Vorbedingungen für Hochwasser. Außerdem gebe es im Osten kaum Tendenzen zu häufigeren Starkniederschlägen - auch wenn zu befürchten ist, dass es in Zukunft zu heftigeren Güssen kommt.
"Anders sieht das an einzelnen Messstationen im Westen aus", sagt Schönwiese und berichtet vom Extrembeispiel Limburg an der Lahn: "Hier hat die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von Starkniederschlägen im Januar von ungefähr 0,01 im Jahr 1900 auf ungefähr 0,1 im Jahr 2000 zugenommen." Im statistischen Mittel seien die für den Wintermonat ungewöhnlich heftigen Güsse damit nicht mehr alle 100, sondern alle zehn Jahre zu erwarten. "Das ist allerdings ein eklatanter Einzelfall. Für die Oder- und Elberegion lässt sich so etwas nicht sagen."