Ein großflächiger Stromausfall wie in Nordamerika ist nach Darstellung von Energie-Konzernen und Technikexperten in Deutschland derzeit nicht möglich. Die Vernetzung zahlreicher Kraftwerke garantiere eine viel höhere Versorgungssicherheit als in den USA, erklärten Stromanbieter, Umweltschützer und Forschungsinstitute. Auch im liberalisierten Strommarkt blieben aber hohe Investitionen in die Versorgungssicherheit unumgänglich. Nach Angaben des Innenministeriums hat die Bundesregierung zudem für Notfälle dieser Art vorgesorgt.
Erste Gespräche nach dem 11. September
Bereits 14 Tage nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 in den USA habe Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) mit den Strom-, Gas- und Wasserversorgern gesprochen, sagte Ministeriumssprecher Daniel Höltgen. Es gebe einen ständigen Informationsaustausch. Bei einem längeren Stromausfall kann zudem das Technische Hilfswerk (THW) an Brennpunkten - etwa in Krankenhäusern - einspringen.
Deutsche Stromnetze weniger anfällig
Die deutschen Stromnetze sind nach Angaben des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) engmaschig ausgelegt und deshalb deutlich weniger anfällig für Störungen. «Die Hitzewelle der vergangenen Wochen hat außerdem gezeigt, dass die deutschen Stromversorger auch für extreme Situationen vorgesorgt haben», sagte VDEW-Hauptgeschäftsführer Eberhard Meller in Berlin.
Scharfer Wettbewerb in den USA
In ganz Mitteleuropa verhindern die Verbundnetze der Versorger nach Einschätzung eines Technikexperten gigantische Stromausfälle. So sei bei der hitzebedingten Stromkrise in Norditalien Energie aus nördlichen Ländern geliefert worden, sagte Hans Ulrich Schmidt vom Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen im nordrhein-westfälischen Euskirchen. «So etwas ist in den USA leider nicht möglich.» Der Grund sei der scharfe Wettbewerb im liberalisierten Strommarkt.
Umweltschützer warnen vor Liberalisierung
Umweltschützer und die Gewerkschaft ver.di warnten, in Folge der Liberalisierung könnte ein weiträumiger Stromausfall auch in Deutschland passieren. Derzeit habe man zwar noch Überkapazitäten, sagte der Experte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Klaus Traube, im Deutschlandfunk. Langfristig fehlten aber möglicherweise wie in den USA die nötigen Investitionen in Kraftwerke. ver.di-Vorstandsmitglied Erhard Ott rief die Unternehmen dazu auf, im Preiskampf nicht nur «auf Verschleiß» zu fahren.
15 Minuten Stromausfall im Jahr
Zu örtlichen kleineren Stromausfällen kann es auch hier zu Lande kommen. Ursache seien meist Schäden durch Bauarbeiten oder Blitzschläge, hieß es beim Energieunternehmen Schleswag. Nach Angaben der Städtischen Werke Magdeburg müssen deutsche Stromkunden pro Jahr mit durchschnittlich 15 Minuten Stromausfall rechnen. In Italien seien es beispielsweise 190 Minuten.