Phaeno Spielplatz für kleine Forscher

Von Inka Schmeling
Neben dem VW-Werk gibt's in Wolfsburg seit kurzem ein Abenteuerland: Phaeno ist das neueste, größte und teuerste Wissenschaftsmuseum Deutschlands. Handgreiflich lernen Kinder und Erwachsene Verblüffendes aus der Welt der Physik und Chemie kennen.

"In dem Märchen "Narnia" betreten vier Geschwister ein Land, in dem sprechende Biber, eine weiße Hexe und sogar der Weihnachtsmann wohnen. Sie gelangen dorthin durch einen alten Wandschrank. Harry Potter wiederum muss durch den Pfeiler zwischen Bahnsteig 9 und 10 rennen, um in den Zug zu seiner Zauberschule Hogwarts zu steigen, wo ihn Riesenspinnen, Stachelbuckeldrachen und Irrwichte erwarten. Recht gewöhnliche Eingänge für ungewöhnliche Welten.

Ein "phaenoman" begrüßt die Kinder

Nicht so in Wolfsburg. Da fängt das Staunen schon an, wenn man aus dem Bahnhof tritt. Die Abenteuerwelt scheint direkt auf den Besucher zuzustapfen. Wie klobige Elefantenfüße stehen da zehn Betonkegel; auf ihnen ruht, sieben Meter über dem Boden, ein lang gezogenes, zackiges Gebilde aus Stahl, Beton und Glas: "Phaeno". Das größte, neueste - und mit 79 Millionen Euro teuerste - Wissenschaftsmuseum Deutschlands. Der Weg dorthin führt durch einen der Füße, die Schiebetür neigt sich den Eintretenden entgegen. Ariane, 10, Marie, 9, Timo, 10, Malte, 7, und Martha, 6, gehen hindurch. Dann auch ihre Eltern. In diese Welt dürfen sie ausnahmsweise mit.

Sie alle werden erwartet. Von einem Mann in schwarzer Kleidung und roter Weste. Einem "phaenoman". Er schlingt ein weißes Papierarmband um die Handgelenke der Kinder - mit der Aufschrift "Neuland" und "Phaeno, die Experimentierlandschaft".

Staudämme bauen, Roboter steuern

"Ist das geil!", flüstert Timo, als die Rolltreppe ihn hinaufgetragen hat. 9000 Quadratmeter liegen vor ihm, mehr als 600 normale Kinderzimmer würden hier hineinpassen. 250 Experimentierstationen gibt es. Von denen hämmert und klirrt, scheppert und klimpert, pfeift und surrt es, Rauchringe steigen auf, Staudämme werden gebaut, in einem Glaskasten entstehen Tsunamis. Jede halbe Stunde wird direkt am Eingang ein fünf Meter hoher Feuertornado in die Luft gepustet. Ein tolles Schauspiel. Timo läuft darauf zu.

Marie und ihre Schwester Martha stürmen zu zwei Drahtseilen, an denen sie Flummis gegen eine Glocke an der Decke schießen können. Malte lässt sich auf einem Rodeokreisel durch die Luft schleudern, Ariane steuert einen Roboterkäfer per Joystick. "Bei uns gibt es keinen vorgegebenen Weg", sagt Wolfgang Guthardt, Initiator, Planer und nun Direktor von "Phaeno". "Die eigene Neugierde soll die Besucher durch das Museum führen."

Durch Höhlen und Krater, über Rampen und Plateaus. Der Betonboden wellt sich, stülpt sich auf, fällt ab; er teilt den großen Raum in verschiedene Ebenen und Räume. Martha klettert den Krater des Feuertornados hoch und rutscht herunter, immer wieder. Die Kinder sind begeistert vom Gebäude, das die Londoner Stararchitektin Zaha Hadid entworfen hat und aus selbstverdichtendem Beton bauen ließ. Viele Buchten zum Spielen hat sie geschaffen, auf rechte Winkel verzichtete sie dabei weitestgehend. "Wir wollten einen Raum, der von selbst neugierig macht", sagt Guthardt. Eine eigene Landschaft zum Experimentieren eben.

"Wirklich ein Familienmuseum"

Die fünf Kinder zögern nicht. Sie lassen Wellen und Rauchwolken entstehen. Sie bauen Brücken aus Schaumstoffquadern. Sie bewegen einen Ball allein durch ihre Hirnströme. Und in einer Art Wahrsagerkugel feuern sie blaue und lilafarbene Blitze mit ihren Händen ab. "Da vorne gibt's noch mehr tolle Versuche!", ruft Ariane begeistert und zerrt ihren Vater eine Treppe hoch. Der murrt: "Mir wird schon ganz schwindelig." Und spielt doch mit.

"Das ist wirklich ein Familienmuseum", lobt die Mutter. Die drei Elternpaare assistieren ihren Kindern beim Brückenbauen oder im Chemielabor - und lassen selbst ihre Schatten auf einer Leinwand einfrieren, versuchen, sanft wie eine Katze zu springen, setzen sich auf einen fliegenden Teppich. Unter den 11 000 Besuchern, die in der ersten Woche nach der Eröffnung im November 2005 ins "Phaeno" kamen, waren Besucher jeden Alters dabei, so Direktor Wolfgang Guthardt.

Begeisterung, Verblüffung, Neugier wecken

In jeder verrätselten Welt haben Eindringlinge bekanntermaßen eine Mission zu erfüllen. In "Narnia" sollen die Kinder den immer währenden Winter in der Fabelwelt beenden, Harry Potter muss Lord Voldemort besiegen. Im "Phaeno" wiederum gilt es, naturwissenschaftliche Phänomene zu ergründen. "Aber die Besucher sollen nicht als Diplomphysiker herausgehen", beruhigt Guthardt. "Sondern mit Begeisterung, Verblüffung, Neugier - und vor allem mit vielen Fragen."

Wo? Wann? Wie viel?

Adresse: Willy-Brandt-Platz 1, Wolfsburg (direkt neben dem ICE-Bahnhof)

Kontakt:

0180-106 06 00 (bundesweit zum Ortstarif), www.phaeno.de

Öffnungszeiten:

Dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr. Geschlossen: montags sowie am 24. und 31. Dezember. Für Gruppen und Schulklassen wird auf Anfrage und nach Voranmeldung bereits um 9 Uhr geöffnet.

Eintrittspreise:

Erwachsene 11 Euro, Kinder zwischen 6 und 18 Jahren 7 Euro, Kinder unter 6 Jahren frei. Familienkarte (Eltern oder Großeltern, bis zu zwei eigene Kinder) 25 Euro; Kleinfamilienkarte (ein Eltern- oder Großelternteil, zwei eigene Kinder) 16,50 Euro.

"Was ist ein Centriol?"

Ariane hat eine Frage. Sie steht gerade vor einer Leinwand mit einem Wärmebild ihres Körpers: Wo die Temperatur am höchsten ist, an Kopf und Hals, leuchtet es knallrot. Der Rest ist orangefarben oder gelb gefärbt. Und Ariane wundert sich: "Sind tote Menschen ganz gelb, oder sieht man die gar nicht?" Auch Martha, 6, die um die Ecke an dem Puzzle einer tierischen Eizelle bastelt, ist neugierig geworden: "Guck mal, Mama, da sind Spaghetti mit Knoten drin." "Nein, hier steht, das sei ein Centriol. Das Ganze ist eine Zelle, Martha." "Was ist ein Centriol?" Da muss Marthas Mutter passen. Genau wie die herbeigerufene "phaeno-woman".

Das Lernen ist für Wolfgang Guthardt nicht die wichtigste Mission in seinem wissenschaftlichen Abenteuerland. Sondern das Spielen, Ausprobieren und die Erfolgserlebnisse. So verlassen Martha, Ariane und die anderen abends Wolfsburgs neues Wissenschaftsmuseum zwar mit vielen Fragen. Aber auch mit neuer Neugier - und vor allem mit angestacheltem Spieltrieb. Der hält sogar noch abends im Bett vor, wie Marthas Mutter später erzählt. "Mama, Mama", habe ihre Tochter nach der Gutenachtgeschichte gerufen, "der Stuhl, der von dem Roboter zusammengebaut wurde, der war toll. Aber den hätte ich gerne auch selbst bedient. Nicht nur zugeguckt."

Mitarbeit: Karolin Leyendecker

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