Spenderorgane sind Mangelware. Mehr als 10.000 Menschen warten derzeit in Deutschland auf eine Transplantation, aber nur rund 3500 Organe werden täglich gespendet. Verlockend ist deshalb der Gedanke, defekte Nieren, Herzen und Lebern durch tierische Organe zu ersetzen. Doch auch nach vier Jahrzehnten Forschung ist die sogenannte Xenotransplantation noch nicht praxisreif. Freitag treffen sich Ärzte, Juristen und Ethiker im Berliner Robert-Koch-Institut, um den internationalen Stand Forschung zu erörtern.
"Es sind Probleme hinzugekommen, von denen keiner etwas geahnt hat", sagt Dietmar Abendroth vom Transplantationszentrum der Universität Ulm. "Aber es ist keineswegs so, dass Xenotransplantation gestorben ist". Lange Zeit hatten die Forscher vor allem mit der körpereigenen Abwehr gegen die tierischen "Ersatzteile" zu kämpfen. Das Immunsystem stempelt transplantiertes Gewebe für gewöhnlich als gefährlichen Eindringling ab und reagiert mit Abstoßung und Vernichtung der tierischen Zellen.
Die Forscher überlisteten die Abwehr, indem sie Schweine genetisch veränderten. Auf der Oberfläche ihrer Zellen werden die Zuckerreste weggezüchtet, die sie zuvor als fremd verrieten. "Die Abstoßreaktion ist jetzt nicht mehr das Problem", sagt Abendroth. Neben den sofort wirkenden gebe es aber weitere, längerfristig greifende Abwehrmechanismen. Sie sind schuld daran, dass in Affen transplantierte Herzen und Nieren derzeit nach etwa drei Monaten ihren Dienst quittieren.
Tierische "Ersatzteile"
Um diese angeborene Immunität auszutricksen, übertragen Wissenschaftler humane Zellen in schwangere Schweine. Ziel sind Gewebe, die im Menschen als scheinbar körpereigene toleriert werden. "Da dürfte es demnächst einen Durchbruch geben", so Abendroth. Ein halbes Jahr müssen die Organe mindestens überstehen, um für die Anwendung interessant zu werden. "Sechs Monate wäre ein Zeitraum, der als Überbrückung bis zur Transplantation eines menschlichen Spenderorgans dienen könnte", erklärt Rolf Tönjes vom Paul-Ehrlich-Institut in Langen, Leiter der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Xenotransplantation.
Tönjes' Team ist mit dem zweiten großen Problem bei Xenotransplantation beschäftigt: der Übertragung vormals tierischer Krankheiten auf den Menschen. Tückisch sind vor allem die sogenannten Retroviren, die ihr Erbmaterial in die genetische Information ihrer Wirtszellen einbauen. Dort können sie unauffällig Jahre überdauern, um plötzlich aktiv zu werden und tödliche Krankheiten auszulösen. Versuche zeigten, dass Schweineviren bei der Übertragung von Gewebe auf Mäuse übergehen. Ist die Struktur des Virus bekannt, lassen sich gentechnisch Defekte einbauen und so Schweinerassen ohne vermehrungsfähige Viren erzeugen. Tönjes legte deshalb für die Retroviren "Steckbriefe" mit deren vollständigen Genstrukturen an.
Interessante Ansätze für Diabetiker
Trotz solcher Probleme glauben Forscher an die zukünftigen Anwendbarkeit der Therapie. "Wir sind näher dran, als viele Kritiker glauben", sagt Bruno Reichart, Direktor der Herzchirurgischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Beim Menschen werden Xenotransplantationen viel erfolgreicher sein als beispielsweise beim Pavian, weil man viel mehr über das Immunsystem weiß."
Sehr interessante Ansätze gebe es beispielsweise bei Xenotransplantaten für Diabetiker. Bei den Betroffenen zerstört das Immunsystem irrtürmlich die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. Mediziner arbeiten daran, diese so genannten Inselzellen durch tierische Zellen beispielsweise aus Fischen zu ersetzen. In Kapseln verpackt, produzieren die Zellen Insulin und sind gleichzeitig unerreichbar für die Antikörper des Immunsystems. "Die Daten sind da sehr vielverprechend", sagt Dietmar Abendroth von der Universität Ulm.