Die Modeindustrie ist im Wandel. Immer mehr Kunden fragen nach, wie ihre Kleidung produziert wird und verzichten auf Stoffe, die mit einer hohen Umweltbelastung einhergehen. Einen besonders schlechten Ruf haben synthetische Fasern, weil sie auf Erdöl basieren und sich nur schwer recyceln lassen. Inzwischen enthalten rund 60 Prozent der Kleidungsstücke Polyester – Greenpeace spricht von einem Desaster für die Ozeane, in denen die Kunstfasern viel zu häufig enden.
Als natürliche Alternative wird Baumwolle gehandelt – fast ein Drittel der weltweiten Textilfasern werden aus ihr gefertigt. Die Stauden allerdings, sind extrem durstig: Rund 2000 Liter Wasser sind nötig, um genug der flauschigen Baumwollfäden für ein T-Shirt zu ernten, für eine Jeans braucht es sogar 7500. Mit natürlicher Bewässerung ist das nicht zu schaffen, deshalb werden häufig Flüsse, Seen und Grundwasserspeicher umgeleitet, obwohl die Bevölkerung der Anbauregionen (meist China oder Indien) ohnehin Wasserknappheit leiden. Nach Angaben von Greenpeace sei außerdem kein anderer Anbau so mit Pestiziden belastet wie der von Baumwolle.
Als Alternativen zu Baumwolle und synthetischen Fasern haben sich über die letzten Jahre Fasern auf Basis von Holz etabliert. Zwei gibt es derzeit auf dem Markt: Viskose und Lyocell, das oft Tencel genannt wird. In der Herstellung ähneln sich Viskose und Lyocell, allerdings werden bis zur fertigen Viskose-Faser so viele chemische Zusätze gebraucht, das Viskose als Chemiefaser gilt. Greenpeace stellt in einem Bericht deutlich heraus, dass die Produktion von Lyocell weniger Chemie und Wasser verbraucht als Viskose.
Textilfasern aus Eukalyptus- oder Buchenholz
Lyocell ist eine Textilfaser, die von der österreichischen Firma Lenzing Fibers produziert wird. Das fertige Material wird als TENCEL™ Lyocell bezeichnet – das ist der Markenname des Unternehmens.
Hergestellt wird die Faser aus dem Zellstoff von Eukalyptus- oder Buchenholz. Dafür wird das Holz zu Schnipseln zerkleinert und in Wasser eingeweicht – dadurch löst sich Cellulose. Dieser Zellstoff wird anschließend mit Wasser und einem ungiftigen Lösemittel erhitzt, damit die Flüssigkeit entweichen kann. Zurück bleibt eine dickflüssige Masse, eine sogenannte Spinnlösung, aus der sich die fertige Kunstfaser spinnen lässt.
Wie nachhaltig ist Lyocell?
Fair-Fashion-Labels nutzen Lyocell, weil der Stoff besonders nachhaltig sein soll. Der größte deutsche Fair-Fashion-Hersteller Armed Angels gab auf Nachfrage an, seit mehr als fünf Jahren mit der Cellulosefaser zu arbeiten und betont, dass die Herstellung aufgrund eines geschlossenen Kreislaufes sehr umweltfreundlich sei.
So sieht es auch die Europäische Komission, die den Herstellungsprozess von Lyocell der Firma Lenzig im Jahr 2000 mit dem Europäischen Umweltpreis in der Kategorie "Technologiepreis für nachhaltige Entwicklung" auszeichnete. Nachhaltig ist er vor allem, weil alle Bestandteile und zur Herstellung nötigen Mittel biologisch abbaubar sind – sogar das eingesetzte Lösungsmittel wird zu 99,5 - 99,8 Prozent aufgefangen und wieder verwendet. Ein Kleidungsstück aus reinem Lyocellstoff könnte man auf den Kompost werfen und es würde nach Angaben des Herstellers Lenzing ohne schädliche Rückstände zerfallen.
Das Holz, das die Basis für Lyocellfasern bildet, stammt zu mehr als 99 Prozent aus nachhaltig und legal bewirtschafteten Wäldern, zertifiziert mit den Holzsiegeln FSC (Forest Stewardship Council) oder PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes). Als Teil des natürlichen Wasserkreislaufes brauchen sie keine künstliche Bewässerung, um zu wachsen. Lenzing gibt an, dass die Produktion von Lyocell nur ein Drittel des Wassers verbraucht wie die von Viskose.
Auch Kai Nebel, Textilingenieur an der FH Reutlingen, bescheinigte Lyocell gegenüber "Deutschlandfunk Nova" eine gute Ökobilanz. Das für die Herstellung Bäume gefällt werden müssen, stellt für ihn bislang kein Problem dar: "Lyocellfasern sind auf jeden Fall zukünftsträchtig, weil wir doch relativ große Mengen an Holz oder zellulosische Rohstoffe zur Verfügung haben", erklärt er.
Was allerdings auch bei Lyocell nicht gänzlich vermieden werden kann, sind weite Transportwege. Zwar wird ein Teil der Naturfaser traditionell in Österreich gefertigt – das Holz kommt in diesem Fall aus FSCE-zertifizierten europäischen Wäldern – aber damit lässt sich der weltweite Bedarf von mehreren Millionen Tonnen Lyocell längst nicht mehr decken. Deshalb hat Lenzig einige Partner in asiatischen Ländern, aus denen die fertigen Fasern lange Wege auf sich nehmen.
Wer wenig kauft, kauft am nachhaltigsten
Insgesamt läuft bei der Textilfaser Lyocell schon vieles richtig und der Hersteller scheint sich tatsächlich größte Mühe zu geben, ein Produkt herzustellen, dass nicht nur auf der Broschüre nachhaltig ist. Allerdings: die Vielzahl an Kleidung, die weltweit verbraucht wird, könnte niemals nur aus Lyocell gefertigt werden – dafür ist es einfach zu viel. Die Bekleidungsproduktion hat sich von 2000 bis 2014 verdoppelt. Der CO2-Fußabdruck der Modebranche wird auf 1,2 Milliarden Tonnen CO2 geschätzt – das entspricht den Emissionen von Frankreich, Deutschland und Großbritannien zusammen. Wenn wir weiter so viel konsumieren, könnte die Modeindustrie nach Greenpeace-Schätzungen im Jahr 2050 schon 26 Prozent der globalen CO2-Emissionen ausmachen.
Auch die beste Faser wird nicht ausreichen, um diese Umweltauswirkungen in den Griff zu bekommen. Was tatsächlich helfen würde: weniger kaufen und Kleidungsstücke lange tragen.
Quellen: Greenpeace: Nachhaltige Mode oder Fair Fashion?, Greenpeace: Gefahr aus dem Kleiderschrank, Greenpeace: Textilien im Supermarkt, Tencel, Deutschlandfunk Nova, Fashion Changers

Sehen Sie im Video: Produziert die Mode-Industrie zu viel für den Müll? Und kann man günstige Mode nachhaltig herstellen? In der stern-DISKUTHEK debattieren Vertreter von About You, H&M, Greenpeace und eines Fair-Fashion-Labels.