Online-Betrug Deutschlands meistgejagter Youtuber: "Es geht um Milliarden"

Der Youtuber mit dem Pseudonym "Lennart Erbgut" deckt betrügerische Machenschaften auf
Der Youtuber mit dem Pseudonym "Lennart Erbgut" deckt betrügerische Machenschaften auf
© Screenshot youtube.com/callcenterfun
Ein Youtuber führt mit "Callcenter Fun" kriminelle Online-Betrüger vor. Hunderttausende folgen seinen genialen, aber auch riskanten Streichen.

Wie sind Sie dazu gekommen, Internetbetrüger und Scammer vor großem Publikum vorzuführen? Haben Sie selbst schlechte Erfahrungen gemacht?
Als Jugendlicher wollte ich unbedingt ein Laptop haben und fand im Netz ein Gewinnspiel, wo es eins zu gewinnen gab. Doch ich war bloß an Datensammler geraten, die mich drängten, irgendwelche Abos abzuschließen. Dabei war ich damals noch nicht einmal volljährig. Ich begann zu recherchieren, musste feststellen, dass meine eigene Großmutter mit unseriösen Angeboten konfrontiert wurde. Keine Oma hat es verdient, reingelegt zu werden. Da sind viele Rentner, die Geld zusammensparen, um den Enkelkindern ein Weihnachtsgeschenk zu machen, und werden abgezockt. Da entsteht nicht bloß finanzieller Schaden, sondern auch emotionaler.

Wie kamen Sie auf das Format, diese Betrüger auf unterhaltsame Weise öffentlich zu blamieren?
Den Opfern ist es oft peinlich, sie sprechen nicht einmal in der Familie darüber. Damit wird jenen Menschen in unserer Gesellschaft geschadet, die es am allerwenigsten verdient haben. Ich komme selbst aus dem Informatik-Bereich, habe das technische Know-how, diese Leute zu stellen.

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Sie versammeln fast eine halbe Million Follower auf Youtube. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?
Nein, ich habe das als kleines Hobbyprojekt gestartet. Es ist anderen Youtubern, die mich verlinkt haben, zu verdanken, dass "Callcenter Fun" so schnell Verbreitung gefunden hat.

Sie legen sich dabei mit Kriminellen an, gelten als meistgejagter Youtuber Deutschlands. Viele drohen mit Gewalt. Wie gefährlich ist es, was sie da tun?
Meine Anonymität ist extrem wichtig. Ich habe beruflich mit Informationssicherheit zu tun und weiß, wie ich mich schützen kann. Aber es ist ganz klar, würden je mein Name oder mein Gesicht bekannt, hätte ich ein echtes Problem. Die würden viel geben, mich ausfindig zu machen. Mein Vorteil ist, dass viele der Betrüger nur unter dem Radar öffentlicher Aufmerksamkeit funktionieren. Man sollte das Restrisiko nicht unterschätzen, dass mir irgendwo auf der Straße jemand eine überzieht. Da hilft es auch nicht, technisch versiert zu sein. Selbst wenn ich aus Sicherheitsgründen morgen aufhören müsste, würde das viele Positive, das ich erreicht habe, überwiegen. Aber die Frage stellt sich nicht, sie finden mich nicht.

Ihnen scheint es hingegen leichtzufallen, die Echtnamen der Betrüger herauszufinden, ebenso ihre Wohnsitze. Wie machen sie das?
Meine Lieblingsmethode ist es, mit Fake-Bitcoins zu arbeiten. Bei Bitcoins werden sie unvorsichtig, sie sind unendlich scharf drauf, weil die quasi nicht nachverfolgbar, die Zahlungen nicht umkehrbar sind. Ich erfinde besonders absurde Geschichten, zerrüttete Familienverhältnisse, rachsüchtige Freundinnen ... Der Unterhaltungswert ist dabei hoch, weil sie bereit sind, jeden Unsinn zu glauben, sobald sie sie Bitcoin-Beträge in Millionenhöhe sehen. Ich nutze alte Krypto-Wallets auf der Blockchain, die echten Personen gehören, und täusche auf dem PC virtuelle Handys vor, lasse sie glauben, darauf per Fernsteuerung Zugriff zu erhalten.

Können Sie uns einen Eindruck geben, wie diese Betrugsbranche aussieht, wie darf man sich diese Callcenter vorstellen?
Ich kann Ihnen keine konkreten Zahlen liefern, aber habe einen ganz guten Überblick, wie sie funktionieren. Die sitzen da wie in einer Legebatterie, 20 Leute in einem Raum, damit sie sich gegenseitig überprüfen können. Handys müssen am Eingang abgegeben werden. Das Traurige ist, dass viele Mitarbeiter normale Leute sind, eigentlich keine Kriminellen. Manche verstehen erst durch meine Clips, woran sie da beteiligt sind, liefern mir sogar Informationen über ihre unseriösen Arbeitgeber. Oft sitzen diese Firmen in der Türkei oder in Osteuropa, normale Callcenter mit Hinterzimmern für betrügerische Sparten wie gefälschte Lotto-Abos oder Fake-Inkasso.

Die Grenzen zum Betrug sind also fließend?
Ja, aber umgekehrt, als man denkt. Das legale Geschäft ist der Vorwand, die Abteilung für Betrug das Hauptgeschäft. Es geht um Milliarden.

Gibt es bei den Betrügern gewisse Muster?
Mein Eindruck ist, dass diese Leute einer gewissen Propaganda durch ihre Chefs ausgesetzt sind. Die sagen ihnen, dass ihre Opfer bloß dumme Deutsche sind, Kartoffeln, die es nicht anders verdient haben, alte Nazis und dergleichen. Diese Welt funktioniert extrem manipulativ. Interessant sind die Reaktionen mancher, wenn sie aufgeflogen sind, sie fangen an, sich zu rechtfertigen und regelrecht zu verteidigen.

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Geht die Polizei in diesen Ländern gegen diese Kriminellen vor?
Die Behörden kooperieren zwar mit der deutschen Polizei, aber nur, wenn nötig. Ich habe den Eindruck, dass da viel zu oft ein Auge zugedrückt wird.

Sie selbst kooperieren mit den Behörden, übergeben der Polizei Ihre Erkenntnisse.
Ja, aber mit Vorsicht. Ich will für meine Informanten eine neutrale Anlaufstelle bleiben. Oft reiche ich Erkenntnisse meiner Informanten an die Polizei weiter, weil bei diesen Vertrauen fehlt. Wichtig ist, dass ich selbst anonym bleibe. 

Sie haben eine markante Stimme und Sprechweise, werden inzwischen oft erkannt. Erschwert das die Arbeit?
Mittlerweile erkennen mich bis zu 30 Prozent der Anrufer. Das muss nicht bloß negativ sein, weil ich mit den Callcenter-Leuten manchmal ins Gespräch komme. Ich gehe sehr differenziert auf sie zu. 

Haben Sie Tipps, wie man sich am besten verhält, wenn man an Callcenter-Betrüger gerät?
Misstrauen ist grundsätzlich immer gut. Das Wichtigste ist, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, sobald man so einen Anruf bekommt. Am besten fragt man nach einer Rückrufnummer, der konkreten Durchwahl, gleicht diese im Internet ab. Die Betrüger werden schnell ungehalten und verraten sich selbst.

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