Afghanistan Tödliche Ernte

Ein schlüssiges Konzept, wie man der Bedrohung überhaupt Herr werden könnte, gibt es nicht. Die Briten, die federführend beim Anti-Drogen-Kampf in Afghanistan sind, haben kaum etwas erreicht. Eine neue Rekordernte steht schon bald ins Haus.

Das Problem wächst dramatisch schnell, und es ist lange bekannt - doch niemand kennt die Lösung. Gut zwei Jahre nach dem Sturz der Taliban ist Afghanistan wieder der weltgrößte Produzent von Rohopium geworden. In Kabul tagt seit Sonntag eine internationale Anti-Drogen-Konferenz. Dass sie einen Anstieg der Drogenproduktion verhindern kann, glaubt kaum jemand - möglicherweise steht schon bald eine neue Rekordernte ins Haus. Wie blutig der Kampf um die Profite des tödlichen Geschäfts ist, zeigte sich am Wochenende im nordafghanischen Einsatzgebiet der Bundeswehr.

Immer düsterer werden die Warnungen der afghanischen Regierung, die Präsident Hamid Karsai an diesem Montag bei der Tagung wiederholen dürfte. Außenminister Abdullah Abdullah sprach bereits im vergangenen Sommer von der Gefahr, die Drogenmafia könnte das Land übernehmen. Im Dezember nannte er den Drogenanbau "den größten Destabilisierungsfaktor für Afghanistan nach dem Terrorismus". Ohne mehr internationale Hilfe, so warnt die Kabuler Regierung gebetsmühlenartig, ist der Kampf nicht zu gewinnen.

Kaum Erfolge im Anti-Drogen-Kampf

Doch selbst wenn es mehr Geld gäbe - ein schlüssiges Konzept, wie man der Bedrohung überhaupt Herr werden könnte, gibt es nicht. Die Briten, die die Federführung beim Anti-Drogen-Kampf haben, haben kaum etwas erreicht. Ihr Konzept, für stillgelegte Anbaufläche zu zahlen, trug nicht die gewünschten Früchte: In der nächsten Saison erhöhten die Bauern die Anbaufläche einfach - in der Hoffnung auf noch mehr Entschädigungszahlungen.

Auch Pläne der Kabuler Regierung, den Anbau legaler Produkte zu fördern, dürften an ihre Grenzen stoßen. Während Weizen nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO bis zu 700 US-Dollar pro Hektar abwirft, sind es bei Opium bis zu 10 000 US-Dollar - wovon allerdings oft das wenigste beim Bauern verbleibt.

Hilfloses Kabul

Die Zentralregierung ist hilflos. Ihre Macht reicht kaum über Kabul hinaus, Mohnanbau geschieht unter den Augen lokaler Machthaber - die oft von dem illegalen Geschäft profitieren. Ohne Sanktionen, ohne Polizei und Armee, dürfte das Problem kaum zu bewältigen sein. Bis afghanische Sicherheitskräfte dafür aber schlagkräftig genug sind, werden wohl noch Jahre vergehen.

Der Kommandeur der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan (ISAF), der deutsche NATO-General Götz Gliemeroth, setzte sich im Dezember für einen breit angelegten Einsatz mit zivilen und militärischen Mitteln ein.

Die Bundesregierung lehnt einen Einsatz deutscher Soldaten im Anti-Drogen-Kampf aber ab - wissend um die Gefahren. Dass dabei auch Bundeswehr-Soldaten unter Beschuss kommen könnten, zeigte sich am Wochenende im Einsatzgebiet der in Kundus stationierten Truppen: In der Provinz Badachschan, einem der größten Drogenanbaugebiete Afghanistans, wurden bei Kämpfen mindestens sieben Milizionäre getötet. Der Auslöser, so Medienberichte: Lokale Machthaber stritten sich, wer die Steuern auf die anstehende Mohnernte erheben darf.

"Die Welt muss handeln"

Die Regierung in Kabul warnt, dass es nicht nur um Afghanistans Zukunft geht. Mit Blick auf Länder wie Deutschland, in denen der tödliche Stoff als Heroin in den Venen der Süchtigen landet, sagte Abdullah im vorigen Sommer: "Wenn sie uns heute nicht mit adäquaten Maßnahmen helfen, diese Bedrohung zu bekämpfen, werden sie in drei, vier Jahren das Vielfache dafür bezahlen müssen." Seitdem ist nicht viel geschehen, und so dürfte die Warnung des Ministers von damals noch akut sein: "Die Welt muss handeln, bevor es zu spät ist."

DPA
Can Merey