Gepanzerte Armeefahrzeuge und schwer bewaffnete Sicherheitskräfte prägen das Bild auf den Straßen der Stadt, in der am Freitag Soldaten das Feuer auf rund 3000 Demonstranten eröffnet hatten. Bei den Unruhen wurden schätzungsweise 500 Menschen getötet. "Sie schossen auf uns wie auf Kaninchen", sagt ein Teenager, der vor einer von Einschüssen beschädigten Schule steht. Augenzeugen zufolge flüchteten sich einige Demonstranten in Richtung der Schule, wo sie jedoch ins Kreuzfeuer gerieten.
Die Fassade des zweistöckigen Schulgebäudes zeugt von dem heftigen Beschuss: Mindestens 20 Einschusslöcher sind zu erkennen. In einem Gebüsch liegt eine Blut getränkte Baseball-Kappe, und in Abwasserrinnen haben sich Blutlachen mit Wasser und Schmutz vermischt. Auf Straßen und Fußwegen liegen Leichenteile - nur notdürftig mit Erde bedeckt.
Menschen flüchten ins benachbarte Kirgisien
Armeelastwagen blockieren wichtige Durchfahrtsstraßen der Stadt. Auf einem der Friedhöfe Andischans sagt ein Totengräber, er habe schon bis zum Morgen vier Gräber ausgehoben. Ein staatlicher russischer Fernsehsender zeigt Männer, die Leichen wegschleppen. Frauen weinen. In den Krankenhäusern der Stadt lägen weitere Todesopfer, berichten Anwohner. Gelegentlich sind erneut Schüsse von Scharfschützen zu hören. Soldaten und Polizisten würden "noch ein paar übrig gebliebene Kämpfer fertig machen", sagt ein Mitglied der Sicherheitskräfte.
Am Freitag hatten in Andischan zunächst bewaffnete Aufständische Häftlinge aus einem Gefängnis befreit, zehn Polizisten in ihre Gewalt gebracht und schließlich das örtliche Regierungsgebäude besetzt. Am Sonntag ist eine schwarze Rauchsäule über dem Gebäude zu sehen und sporadisches Gewehrfeuer zu hören.
Die gewaltsame Niederschlagung der Proteste hat in einigen Vierteln der rund 300.000 Einwohner zählenden Stadt Panik ausgelöst und bis zu 4000 Menschen in die Flucht geschlagen. Die Menschen durchbrachen die geschlossene Grenze zum benachbarten Kirgisien, wo erst vor einigen Wochen Massendemonstrationen zum Rücktritt von Präsident Askar Akajew geführt hatten.
Dmitry Solovyov/Reuters