Hamburg - Die im September von einem offenbar Geisteskranken erstochene schwedische Außenministerin Anna Lindh könnte nach Ansicht ihres Mannes noch leben, wenn seine Frau einen Leibwächter gehabt hätte und die schwedische Regierung sich besser um psychisch kranke Menschen kümmern würde. In einem Interview mit dem stern sagte Bo Holmberg, ein Leibwächter sei keine Einschränkung der Demokratie, wie viele im Land glaubten. "Hätte Anna einen Leibwächter gehabt, wäre es nicht zum Attentat gekommen. Dann wäre sie am Leben." Ihr Verhängnis sei ferner gewesen, dass in Schweden viele Psychiatrien geschlossen hätten und den Patienten nicht gesagt würde, wohin sie gehen sollen. Sie seien "eine Gefahr für sich und die Umwelt".
In dem stern-Interview erzählt Holmberg zum ersten Mal, wie sehr seine Frau noch immer Teil seines Alltags ist und wie seine beiden Kinder langsam lernen, mit dem Verlust zu leben. Bis vor kurzem hätten alle unter Schock gestanden, sagte Holmberg, der Regierungspräsident der Provinz Södermanland ist. Allmählich habe er wieder die Kontrolle über sich. "Seit kurzem kommt es mir vor, als wäre ich um einen Meter gewachsen. Ich gehe wieder aufrecht. Ich fühle mich wieder wie ein Mensch. Intellektuell habe ich immer verstanden, dass meine Frau tot ist. Meine Gefühle haben das aber nie richtig kapiert. Jetzt kommen Verstand und Gefühl in Einklang, ich beginne, es zu begreifen."
Abends zünde er eine Kerze vor dem Bild seiner toten Frau an und spreche manchmal mit ihr. "Ich schäme mich nicht dafür. Für mich ist das sehr natürlich. Anna wird ja immer weiterleben, in mir und in den Kindern." Seine beiden Söhne David, 13, und Filip, 9, kämen mit der Situation deutlich besser zurecht als er. Einmal habe Filip zu seinem großen Bruder gesagt: "Es ist ungerecht. Ich bin neun Jahre alt, und meine Mutter wird getötet." Bo Holmberg habe seinen Ohren nicht getraut, als David geantwortet habe, ob seine Mutter jemals behauptet habe, das Leben sei gerecht. Ein anderes Mal habe er seinem kleinen Bruder erklärt, dass man nie Rachegefühle aufkommen lassen dürfe, auch dann nicht, wenn man gemein behandelt worden sei. Menschen, die mit dem Wunsch nach Rache lebten, könnten kein gutes Leben führen. Er, Holmberg, denke wie sein Sohn. "Ich versuche das zu leben."