Neun Monate nach dem tschetschenischen Geiseldrama in einem Moskauer Theater haben zwei Selbstmord-Attentäterinnen Bomben bei einem Freiluft-Konzert gezündet und 13 Menschen mit sich in den Tod gerissen. Bei dem Anschlag am Samstag in der russischen Hauptstadt erlitten 48 Jugendliche zum Teil schwerste Verletzungen. Eine noch schlimmere Katastrophe blieb auf dem Flugfeld Tuschino aus, weil die beiden Bomben am Eingang und nicht unter den bis zu 40 000 Besuchern detonierten. Der Anschlag trägt nach Einschätzung der russischen Behörden die Handschrift tschetschenischer Extremisten.
Ärzte kämpften am Sonntag weiter um das Leben der Verletzten. Die genaue Opferzahl blieb auch einen Tag nach dem Anschlag unklar. Vorübergehend war von bis zu 20 Toten die Rede. Die meisten der Opfer waren Jugendliche im Alter zwischen 16 und 25 Jahren. Um Panik zu verhindern, wurde das Konzert zunächst fortgesetzt. Die Besucher wurden nicht über den Terrorakt am Rande des Flugfeldes informiert.
Nach Polizeiangaben wies ein am Tatort gefundener Pass eine der beiden Täterinnen als 20-jährige Tschetschenin aus. Auf Moskaus Wochenmärkten und an den U-Bahn-Eingängen wurden die Kontrollen verstärkt.
In Tuschino bot sich ein Bild des Grauens. Ärzte berichteten von abgerissenen Körperteilen. «Wir sahen 15 Menschen am Boden liegen. Ein verletztes Mädchen rannte umher und weinte», berichteten zwei junge Männer. Präsident Wladimir Putin, selbst Vater zweier Töchter im Alter der Opfer, sprach den Angehörigen der Toten sein Beileid aus.
Auch im mehr als 1000 Kilometer entfernten Tschetschenien blieb die Lage gespannt. Beim Absturz eines russischen Militärhubschraubers starben am Sonntag vier Soldaten. In der Hauptstadt Grosny kam ein Mensch bei einer Bombenexplosion ums Leben.
Der Terror kehrte einen Tag nach einer wichtigen Entscheidung des Kremls nach Moskau zurück. Putin hatte am Freitag verkündet, die umstrittene tschetschenische Präsidentenwahl werde im Oktober stattfinden.
Russische Medien vermuteten den Rebellenführer Schamil Bassajew als Drahtzieher, der sich bereits zur Organisation früherer Terror- Kommandos bekannt hatte. Im Gegensatz zum Nahost-Konflikt gab es in Russland bis vor kurzem keine Selbstmord-Attentate von Frauen. Die sorgsam geplanten Anschläge der letzten Monate werden von der tschetschenischen Propaganda als «Verzweiflungstaten» bezeichnet. Viele Terroristinnen sollen Witwen getöteter Rebellen sein.
In aller Welt wurde der jüngste Gewaltakt mit Bestürzung aufgenommen. Bundeskanzler Gerhard Schröder kondolierte Putin. «Der Anschlag zeigt einmal mehr, dass wir Terrorismus in jeglicher Form mit aller Entschiedenheit bekämpfen müssen», schrieb Schröder in seinem Beileidstelegramm.
Im Oktober hatten 41 tschetschenische Terroristen, darunter auch Frauen, das Musicaltheater «Nordost» überfallen und mehr als 800 Menschen in ihre Gewalt gebracht. Bei der Befreiungsaktion durch die Polizei starben 129 Geiseln und alle Terroristen.