Die geplante Gas-Pipeline "Power of Sibiria 2" zwischen Russland und China könnte Wladimir Putin paradoxerweise helfen, seine Abhängigkeit von Peking zu reduzieren. Das glaubt der Sicherheitsexperte Christian Mölling. Russland sei derzeit bei der Produktion von Waffen "erheblich abhängig" von China: "Da kommt mittlerweile die größte Hilfe offensichtlich aus China. Sonst könnte Russland seinen Krieg nicht mehr aufrechterhalten."
So kann Moskau seine Abhängigkeit reduzieren
Mit der neuen Pipeline könnte Moskau nicht nur dringend benötigte Einnahmen generieren, sondern auch die Beziehungen zu Peking "stabilisieren". "Man würde aus der stark einseitigen Abhängigkeit von China im Waffenbereich rauskommen", so Mölling, Senior Advisor beim Brüsseler Thinktank "European Policy Centre", im stern-Podcast "Die Lage – International".
Russischen Angaben zufolge haben sich Moskau und Peking nach jahrelangen Gesprächen auf den Bau der "Power of Sibiria 2" verständigt. Dies bestätigte der Gazprom-Chef Alexei Miller. Eine offizielle Bestätigung von chinesischer Seite ist allerdings noch nicht erfolgt.
Die neue Pipeline – fast so viel Volumen wie Nordstream 1
Die neue Pipeline soll 2600 Kilometer lang sein und jährlich bis zu 50 Milliarden Kubikmeter Gas aus Westsibirien nach Nordostchina liefern. Das wäre fast genauso viel, wie über Nordstream 1 durch die Ostsee nach Deutschland kam.
Dass China die neue Pipeline nutzen könnte, um immer wieder formulierte historische Gebietsansprüche in Russland durchzusetzen, hält Mölling für unwahrscheinlich. "Mein Eindruck war bislang immer, dass das ein politischer Hebel ist", so der Politologe. "So was, womit man immer winken kann in Richtung Moskau, als noch ein Werkzeug im Instrumentenkasten der bilateralen Beziehungen, womit man Probleme machen kann."
China hatte im 19. Jahrhundert mehrere Gebiete an Russland abtreten müssen. In jüngerer Zeit hatte es immer wieder Spekulationen gegeben, Präsident Xi Jinping könnte sich im Rahmen seines Plans, zum 100. Geburtstag der Volksrepublik 2049 China wieder zur weltweit dominierenden Supermacht zu machen, nicht nur Taiwan, sondern auch die russischen Gebiete zurückholen.
Dieses Szenario wäre für China am bedrohlichsten
Für Chinas Rolle wäre beim Ukrainekrieg eine russische Niederlage am bedrohlichsten, so Mölling: "Dann wäre das ganze Investment verloren, was man jetzt in Russland tätigt, und auch der Allianzpartner und damit auch der Versuch, eine alternative Ordnung aufzubauen auf der Welt."
Aber auch ein Sieg Russlands wäre für China ein Risiko, denn es könnte die Abhängigkeit Moskaus von Peking verringern. Mölling hält deshalb für wahrscheinlich, dass die Führung in Peking auf einen dauerhaften Krieg in der Ukraine setzt: "Weil dieser nicht nur zu einer Abnutzung von Russland und der Ukraine führt, sondern auch von ganz Europa." Dies wiederum helfe China, seine Rolle auf dem Weltmarkt weiter auszubauen.