Nach der Rückeroberung der armenisch besiedelten Enklave Bergkarabach 2023 stellt das autoritär regierte Aserbaidschan 16 Anführer der Armenier vor Gericht. In der Hauptstadt Baku sollen zwei Strafprozesse beginnen. Einzeln ist der Ex-Regierungschef der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach (auf armenisch Arzach genannt), Ruben Wardanjan, angeklagt. Ihm werden unter anderem Terrorismus, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Staat Aserbaidschan vorgeworfen.

Gleichzeitig wird laut staatlichen Medien in Aserbaidschans Hauptstadt Baku gegen 15 weitere Politiker aus Bergkarabach verhandelt, darunter den letzten von der Konfliktregion so bezeichneten Präsidenten Arajik Harutjunjan, wie die aserbaidschanische Nachrichtenagentur APA berichtet. Mehrere deutsche Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Verfahren als politisch motivierte Schauprozesse und forderten die deutsche Botschaft auf, die Verhandlungen zu beobachten.
Historischer Streit zwischen Aserbaidschan und Armenien
Gestritten wird um Bergkarabach seit mehr als einhundert Jahren – besonders intensiv seit dem Fall des sogenannten Eisernen Vorhangs. Bis zum Untergang der Sowjetunion (UdSSR) gehörte die "Autonome Oblast Bergkarabach" zur "Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik" (AsSSR) und war damit Teil der UdSSR.
Anfang der 1990er-Jahre zerfiel die UdSSR und die jeweils souveränen Staaten Aserbaidschan und Armenien entstanden. Völkerrechtlich gesehen zählte Bergkarabach zum Territorium von Aserbaidschan, obwohl in dem Gebiet überwiegend Armenier lebten. Eine Eskalation schien unausweichlich: 1991 erklärte sich Bergkarabach für unabhängig und musste diesen Status permanent verteidigen, weil sowohl Armenien als auch Aserbaidschan Ansprüche auf die Region erhoben. Es folgten zwei Kriege mit etlichen Toten beiderseits. Im ersten obsiegte 1994 Armenien, im zweiten 2020 Aserbaidschan.
Bergkarabach hielt sich mithilfe der armenischen Armee als eine Art Staat im Südkaukasus. Im September 2023 brachten Truppen des aserbaidschanischen Staatschefs Ilham Aliyev das Gebiet wieder unter ihre Kontrolle. Mehr als 100.000 Menschen flohen aus Angst vor Repressionen ins Mutterland Armenien. Viele ihrer Führer wurden verhaftet und nach Baku gebracht. Lediglich eine kleine Gruppe von gut 6000 Menschen zog gen Russland, um dort Schutz zu finden.
Quellen: Konrad-Adenauer-Stiftung, APA, OC-Media, mit Nachrichtenagentur DPA