Die Konfliktregion Bergkarabach im Südkaukasus ist nach Angaben örtlicher Behörden am Mittwochmorgen vom aserbaidschanischen Militär erneut mit Raketen und Artillerie angegriffen worden. Dabei seien auch zivile Infrastrukturobjekte getroffen worden, berichtete die armenische Nachrichtenagentur Armenpress am Mittwoch. "Die Einheiten der Verteidigungskräfte leisten mit Abwehrhandlungen den Streitkräften Aserbaidschans erbitterten Widerstand und fügen dem Feind Verluste zu", teilte das Verteidigungsministerium der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach (Arzach) mit.
Die Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan hatte am Dienstag einen groß angelegten Militäreinsatz zur Eroberung Bergkarabachs gestartet. Dabei sind nach Angaben des Menschenrechtsbeauftragten von Arzach, Gegam Stepanjan, bereits mehr als zwei Dutzend Menschen getötet und mehr als 100 verletzt worden. Unter den Opfern sind auch Zivilisten und Kinder. Der seit dem Tod seines Vaters 2007 autoritär regierende Präsident Aserbaidschans, Ilham Alijew, erklärte in einem Telefonat mit US-Außenminister Antony Blinken, dass der Militäreinsatz erst beendet werde, wenn die Armenier ihre Waffen niederlegten.
Aserbaidschan will in Bergkarabach Fakten schaffen
Bergkarabach liegt auf aserbaidschanischem Gebiet, ist aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt und hat sich in 1990er Jahren mit Unterstützung Eriwans in einem blutigen Bürgerkrieg von Baku gelöst. 2020 gelang es dem durch Öl- und Gaseinnahmen hochgerüsteten Aserbaidschan, große Teile der Region zurückzuerobern. Der damals nach dem Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien geschlossene Waffenstillstand ist trotz der dort zur Überwachung eingesetzten russischen Truppen brüchig. Zudem hat Baku monatelang den einzigen Zugang Bergkarabachs zum armenischen Kernland blockiert. Beobachter nennen die humanitäre Lage in der Region katastrophal.
Der groß angelegte Militäreinsatz Aserbaidschans in Bergkarabach ist von der internationalen Gemeinschaft mit Besorgnis aufgenommen worden. Die Regionalhauptstadt Stepanakert sowie weitere Städte standen nach Angaben der Vertretung Bergkarabachs in Armenien unter "intensivem Beschuss".
Mit seinem neuen Angriff zielt Aserbaidschans Staatschef Ilham Aliew auf die ethnische Säuberung von Bergkarabach. Die EU hat den Moment verpasst, den Konflikt friedlich zu lösen. Südkaukasus-Experte Stefan Meister sagt im Interview mit dem stern: "Aserbaidschan schafft jetzt Fakten". Das ganze Gespräch lesen Sie hier.