Was sagt Ihr Vorwahlsieg in Iowa Anfang Januar über das Amerika von heute aus?
Dass Amerika die Veränderung will. Der Ansturm junger Leute, alter Menschen, unabhängiger Wähler und derer, die aus dem republikanischen Lager überwechselten, hat bewiesen, dass das amerikanische Volk die zerrüttete Politik Washingtons hinter sich lassen will. Wissen Sie, wenn Amerikaner erst mal begriffen haben, dass sie die Macht haben, Dinge zu ändern, wird es sehr schwer, sie noch aufzuhalten.
Etwas von historischem Ausmaß, so wird gesagt, sei hier auch am Werk. Ein afro-amerikanischer Präsidentschaftskandidat gewinnt in einem größtenteils von Weißen bewohnten Bundesstaat.
Gegen einige sehr starke Kandidaten. Für mich ist das ohne Zweifel ein Maßstab für den Fortschritt, den wir als Land machen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich Vertrauen in das amerikanische Volk habe. Die Rassenzugehörigkeit ist natürlich noch ein Faktor in unserer Kultur. Aber die Leute wollen wissen, wer ihnen eine Gesundheitsfürsorge, ein Schulsystem und eine Auslandspolitik anbietet, die funktionieren. Wenn sie glauben, man sei dafür der Geeignete, dann, denke ich, sind sie bereit, demjenigen eine Chance zu geben.
Verändert das die Psychologie der Wähler anderswo, der Weißen und Schwarzen?
Ja. Es ist doch zweifellos sehr schwer geworden, einen Grund gegen meine Wählbarkeit zu finden, nachdem ich mehr Wahlunterstützung von den nicht Parteigebundenen und den Republikanern bekommen habe als jeder andere Kandidat. Und genau das haben wir auch während des ganzen Wahlkampfs gesagt. Alle anderen haben das verächtlich abgetan, aber dass es funktioniert, konnten Sie ja selbst sehen.
Ihre Frau hat gesagt, dass Sie das kein zweites Mal machen würden. Noch mal vier Jahre, dann acht Jahre, und dann hätten Sie keinen Bezug mehr zu den normalen Menschen. Was sagt diese Bemerkung über Washington aus?
Es geht nicht nur um Washington. Washington ist nur ein besonders bösartiger Aspekt dessen, was passiert, wenn Menschen mit Macht nur mit Menschen reden, die auch Macht und Geld und entsprechende Interessen haben: Sie vergessen, dass es da draußen furchtbar viele Menschen gibt, die genauso hart arbeiten, häufig sogar auf ehrenwertere Weise, und dennoch ein mühsames Leben führen.
Was war das Schwierigste, das Sie je gemacht haben, und was sagt das über Ihre Führungsqualitäten aus?
Ich komme mal auf den Punkt, der Sie interessiert. Was passiert, wenn es noch einen 11. September gibt, und wie würde man reagieren? Da kann ich nur Folgendes antworten: Im Verlauf meines Lebens, ein Leben, in das ich ohne Privilegien geboren wurde, habe ich als junger Mensch einige grobe Fehlentscheidungen getroffen, und als Erwachsener eine ganze Reihe von Entscheidungen, auf die ich sehr stolz bin. Ich habe mir einen Job gesucht, bei dem ich mich für Menschen einsetzen konnte, die Hilfe brauchten, ich half denen, die nichts mehr besaßen, und riskierte ganz schön viel, obwohl ich es mir hätte wesentlich leichter machen können. Welche Entscheidungen ich in den vergangenen 25 Jahren getroffen habe, lässt meines Erachtens darauf schließen, dass ich jemand bin, der so ziemlich mit allem fertig wird, was ihm das Leben reinreicht. Wer daran zweifelt, kann einfach mal verfolgen, wie wir diesen Wahlkampf geführt haben, im Vergleich zu anderen, die angeblich viel erfahrener sind und auf Knopfdruck ihre Führungsfähigkeiten unter Beweis stellen könnten. Sie hielten dem Druck und dem Auf und Ab des Wahlkampfs nicht so gut stand. Ich habe von Beginn an gesagt, dass wir die beste politische Organisation in diesem Wahlkampf aufgebaut haben, obwohl wir bei null anfingen. Das Ergebnis (in Iowa, d. Red) bestätigt das. Ich habe diese Organisation ohne viel Aufhebens gemanagt. Mein Mitarbeiterstab ist bekannt für seine Höflichkeit und den respektvollen Umgang mit anderen. Es muss der Punkt kommen, an dem andere aufhören zu betonen, dass ich noch nicht lange genug dabei bin, um mitspielen zu können. Das wäre so, als würden Magic Johnson oder LeBron James (beide sind US-Basketballspieler, d. Red) ständig 30 Punkte holen und ihren Teams zum Sieg verhelfen und man als Reaktion darauf behaupten würde, sie seien zu jung, um ihre Teams zu führen.
Sie stellen sich als Präsidentschaftskandidat in einer Welt nach dem 11. September auf und sagen damit Eltern in New York, Washington und im Rest des Landes, dass sie sich auf Sie verlassen könnten. Dass Sie ihren Kindern Schutz bieten.
Ja, das sage ich.
Und warum sollte man Ihnen das glauben?
Weil ich selbst in Chicago eine Neunjährige und eine Sechsjährige habe, die ich vor Schaden bewahren will. Dass ich sie einer Gefahr aussetzen würde, ergibt doch keinen Sinn. Sehen Sie, die Frage setzt ja voraus, dass es jemanden gibt, der den 11. September durchlebt hat. Und wer wäre dieser Jemand außer George W. Bush? Wie das geendet hat, wissen wir ja.
Ende Oktober riet Ihnen bei einem Treffen einer Ihrer Top-Berater, Hillary Clinton fertig zu machen und Sie sagten: Auf diese Weise will ich nicht gewinnen.
Es gibt gewisse Dinge, die tue ich nicht.
Wo ist denn für Sie die Grenze? Wie entscheiden Sie, wo die Grenze ist?
Ich glaube, es war Richter Stewart (vom Obersten Gerichtshof d. Red.), der bei einer Verhandlung, wo es um Obszönität ging, gefragt wurde, wie er Obszönität definieren würde und er antwortete: "Wenn ich es sehe, weiß ich es." Ich weiß, wo diese Grenze liegt, jenseits derer man sich auf die dunkle Seite der Politik begibt. Ich habe kein Problem damit, wenn sich meine Ansichten von denen anderer unterscheiden. Und wenn sich Andere von meinen Positionen abgrenzen, habe ich nichts dagegen. Der neueste Schachzug des Clinton-Camps zum Thema Gesundheitsfürsorge ist meines Erachtens irreführend, überschreitet aber keine Grenzen. Sie glauben an ein Mandat, daran, dass die Regierung jeden dazu verpflichten muss, eine Krankenversicherung zu kaufen, während ich mich eher auf die Kosten konzentriere. Ich halte das nicht für eine praktikable oder die beste Herangehensweise. Und dass sie dann behaupten, ich würde zulassen, dass 15 Millionen Menschen ohne Versicherung sind, dann versteht das meines Erachtens der normale Mensch auf der Straße so, dass ich sie im Regen stehen lasse. Dabei sind das genau die (von Wirtschaftswissenschaftlern prognostizierten, Anm. Newsweek) drei Prozent der Bevölkerung, die laut Clinton gar keine Gesundheitsfürsorge wollen und eine Versicherung selbst dann nicht kaufen würden, wenn sie erschwinglich wäre. Vielleicht werde ich mich mit Argumenten gegen den Inhalt ihrer Negativwerbung wenden, aber ich halte diese Kampagne nicht fürgrenzüberschreitend. Wenn man jedoch diese Masse an Emails ansieht, die herumschwirren - die Quelle haben wir noch nicht gefunden, aber es gibt sie halt - die mich als...
Jihadi? (Islamischer Gotteskrieger, d. Red)
Genau, Jihadi bezeichnen, dann wäre das eine Herangehensweise, für die ich jemanden, der in meinem Stab arbeitet, feuern würde.
Als Sie in Ihrer Standardwahlrede sagten, die hätten vorgeschlagen, dass Sie Hillary Clinton eins auf die Kniescheiben geben wie einst Tonya Harding (es mit ihrer Konkurrentin tat), meinten Sie mit die Ihre Finanzleute?
Das halte ich für eine Fehlcharakterisierung. Es ist korrekt, dass einige Leute der Meinung waren, wir müssten es auf die richtig negative Tour machen. Aber, ehrlich gesagt, kam das meines Erachtens eher von Ihnen - den Experten.
Interview: Richard Wolffe, 2007, Newsweek, Inc. Reprinted with Permission. Übersetzt von Gabriele Gugetzer