Barack Obama Bodyguards Albtraum

Wird die Luft bei Barack Obamas Vereidigung auf Giftgase geprüft? Planen Islamisten ein Attentat auf den US-Präsidenten? Geheimdienst-Mann Edwin Donovan darf solche Fragen nicht beantworten - und sagt im stern.de-Gespräch trotzdem viel über den Irrsinn, den mächtigsten Mann der Welt zu beschützen.

Sind Sie nervös?

Warum nervös?

So kurz vor der Inauguration Barack Obamas?

Nein, nicht nervös. Das ist unser Job. Es ist sehr hektisch, es gibt viele Last-Minute-Änderungen, aber nervös sind wir nicht.

Es heißt, Obama ist der bestgeschützte Mann auf dem Planeten?

Jeder US-Präsident ist der bestgeschützte Mann auf dem Planeten. Aber natürlich ist auch uns bewusst, dass Obama der erste schwarze US-Präsident der Geschichte sein wird.

Sie spielen auf die Gefahr von Attentaten an?

Es ist ein wichtiger Faktor. Es gab Berichte von Morddrohungen gegen Senator Obama. Es gibt viele Spekulationen darüber in den Medien. Wir selber machen das nicht zum Thema. Schon komisch, dass dies die Standardschlagzeile geworden ist: Obama ist der am stärksten bedrohte Präsident aller Zeiten. Wir haben das nie gesagt.

Sie können es jetzt hier im Interview sagen.

Wir würden das nie kommentieren.

Es heißt - auch unter ehemaligen Agenten des Secret Service - dass es Hunderte Todessdrohungen gegen Obama gibt.

Zu Zahlen äußern wir uns nicht. Aber wir untersuchen alles, was uns auf den Tisch kommt.

Mehr zu Obamas Vereidigung...

... und dem Schutz für den zukünftigen US-Präsidenten lesen Sie im aktuellen stern.

Zum Beispiel?

Ich darf Ihnen keine konkreten Beispiele geben. Aber wir werten jede Geheimdienst-Information aus und ermitteln sehr intensiv. Egal ob die Infos von Privatleuten kommen oder von örtlichen Behörden. Wir erlauben uns nicht den Luxus, eine Gefahr nicht ernst zu nehmen. Wir gehen jeder Spur nach.

Sie nehmen all diese Drohungen ernst?

Jede einzelne.

Und stamme sie von einem sechsjährigen Kind?

Ja. Ein gutes Beispiel ist: Jemand ruft uns an und sagt: Ich war gestern in einer Bar und hörte, wie jemand prahlte: Ich töte den Präsidenten. Dann verhören wir den Anrufer, gehen zu der Bar, suchen die Person. Wir wissen einfach nicht, wie ernst der Plan ist.

Untersuchen Sie auch die Lynchaufrufe, die es gegeben hat? Es gab da dieses Schild an einem Baum in Idaho mit Obamas Gesicht und dazu die Zeile: "Free Public Hanging".

Wir hatten eine Reihe dieser Vorkommnisse. Wir dürfen nichts ausschließen und sagen: Ach, das ist lachhaft, diese Person will unserem Präsidenten bestimmt nichts antun.

Es heißt, Obamas Inauguration ist das größte nationale Sicherheitsevent der Geschichte. Mehrere Zehntausend Sicherheitskräfte sollen im Einsatz sein.

Wir geben nie bekannt, wie viele Leute im Einsatz sind. Aber es ist natürlich ein großes Event. Weil er ein Schwarzer ist, ist die Aufmerksamkeit höher, es kommen mehr Menschen, wir erwarten viel größere Massen.

Der stern.de-Blog...

... American Venture beschäftigt sich ebenfalls mit den Vorbereitungen der Inauguration und den Hype um die Vereidigung.

Wie viele?

Es gibt eine interne Zahl, aber wir verraten die nicht. Ich kann ihnen aber sagen: 58 Behörden arbeiten zusammen. Wir vom Secret Service sind verantwortlich für den Masterplan, aber all die anderen helfen uns.

Man spricht von mehr als zwei Millionen Zuschauern in Washington.

Es wird die größte Menschenmenge aller Zeiten geben und damit auch die größte Zahl an Sicherheitskräften. Deswegen ist es das größte Event.

Was ist die größte Gefahr für den kommenden Präsidenten?

Schwer zu sagen. Wir müssen uns um alles kümmern. Ich kann nicht sagen, das und das ist unsere größte Sorge.

Aber einiges ist doch bekannt. Sie testen die Luft auf Spuren biochemischer Waffen, die U-Bahnschächte auf radiologische Strahlen.

Wir haben mehr als 20 Arbeitsgruppen, die sich darum kümmern. Da geht es um Luftsicherheit, um Massenbewältigung, Chaos Management. Und zwar für jedes Event. Bei der Rede vor dem Capitol gibt es andere Gefahren als auf der Parade und wiederum andere als auf den ganzen Bällen.

Fürchten Sie tatsächlich einen Angriff mit Bio- oder Chemiewaffen?

Auch diese Arbeitsgruppe gibt es.

Haben Sie tatsächlich Sensoren in U-Bahnschächten, die die Luft auf nukleare Strahlen testet?

Wir verraten unsere Methoden nicht. Wir hoffen, dass wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sind.

Wird Obama ein paar Schritte laufen können auf der Parade, wie es Präsidenten traditionell machen? Oder haben Sie ihm das untersagt?

Das obliegt ihm. Wenn er es machen will, sind wir vorbereitet. George W. Bush hat es gemacht. Bill Clinton auch. Es ist seine Entscheidung.

Obama beschwert sich jetzt schon über die Blase, in der er lebt. Kein Blackberry mehr. Keinen Schritt ohne Leibwächter. Darf er wenigstens mal joggen gehen?

Wir sind in Gesprächen mit seinem Team. Wir versuchen da zu einer Übereinkunft zu kommen. Bush ging auch Fahrradfahren, wir sind vorbereitet. Wir können unseren Schutz anpassen. Wenn der Präsident entscheidet, er möchte joggen gehen, dann sind wir bereit.

Bei seiner Siegesrede in der Wahlnacht in Chicago trennte ihn kugelsicheres Glas vom Publikum. Diese Dimension hat viele überrascht.

Wir müssen den Ort eben sehr genau untersuchen. Der Secret Service hat sich jene Bühne in jener Nacht angeschaut und ist zu dem Schluss gekommen, dass kugelsicheres Glas angemessen ist. Es gibt keine Standardprozedur, wir müssen uns immer den jeweiligen Bedingungen anpassen.

Was haben die Zuschauer am Dienstag zu erwarten?

Jeder wird durchleuchtet.

Welche Gruppen sind am gefährlichsten?

Unsere Geheimdienste versorgen uns ständig mit Informationen. Wir haben unsere Antennen ausgefahren. Ich kann keine bestimmte Gruppe nennen.

Islamische Terroristen?

Es ist bekannt, welche Feinde die USA und der Präsident haben, ich will keine hervorheben. Wir sind genauso auf den Einzeltäter vorbereitet, der es durch die Metalldetektoren schafft wie auf den organisierten Angriff einer Gruppe bis hin zu dem einer Terrororganisation.

Ist der weiße Einzeltäter nicht die größte Gefahr? Das jedenfalls behaupten ehemalige Agenten. Typen wie Lee Harvey Oswald, der John F. Kennedy erschoss, John Hinckley, der Reagan-Attentäter, Timothy McVeigh, der den Anschlag in Oklahoma City verübte?

Auf sie müssen wir vorbereitet sein. Einer der versucht, durch das Magnetometer zu kommen. Oder eine Person, die in einem Hotel arbeitet. Den fanatischen Einzeltäter haben wir immer im Blick.

Es gibt mehr als 400 rechtsradikale Gruppen in den USA, von denen einige mit einem Rassenkrieg drohen. Infiltrieren sie jede einzelne Gruppe?

Unsere Geheimdienste untersuchen jede Information, wir arbeiten mit allen Behörden zusammen. Bei jeder kleinsten Bedrohung ermitteln wir.

Obama soll mindestens zehn persönliche Bewacher haben, die ihn ständig umgeben, mehr als jeder Präsident zuvor.

Keine Ahnung, woher diese Information kommt. Wir besprechen das nie. Solche Dinge werden erfunden.

Michelle Obama soll sechs ständige Leibwächter haben, die beiden Kinder auch.

Wir geben niemals die Zahlen der Bewacher bekannt, auch bei Staatsgästen nicht, die wir ja auch beschützen.

In einem Bericht hieß es, wenn der Präsident ein Glas Wasser trinkt, wird das Glas danach zerstört, damit man seine DNA-Spuren nicht nehmen kann.

Wo haben Sie das denn her?

Aus einer englischen Zeitung.

Ich bin mir sicher, die Zeitung kann dafür keine Quelle nennen.

Aber er hat doch drei Alarmknöpfe, die er ständig bedienen kann, einen am Schreibtisch, einen am Bett und einen in der Hosentasche.

Wir diskutieren unsere Methoden nicht. Ich sag nur so viel: Sehen Sie sich die heutige Sicherheitstechnologie an, und Sie können sicher sein, dass der Secret Service sich alles genau angeschaut hat. Sie können jetzt 50 Dinge auflisten. Wenn sie uns nützen, wenden wir sie an.

Obama will binnen der ersten 100 Tage eine große Rede in der islamischen Welt halten. Das muss doch der Albtraum für den Secret Service sein.

Wir haben viel Erfahrung damit, den Präsidenten in anderen Ländern zu beschützen. Präsident Bush war viermal im Irak und in Afghanistan, auch Vizepräsident Cheney. Das ist nichts Neues für uns. Wir sind bereit, ihn dorthin zu bringen, wo er hin will.

Auch nach Kairo? Ein Agent sagte mir, das sei eine absurde Idee, die müsse man ihm ausreden.

Wir verlassen uns auf lokale Behörden. Wir müssen mit der dortigen Polizei und Sicherheitskräften zusammenarbeiten, um einen umfassenden Sicherheitsplan zu erstellen.

Ausländische Geheimdienste sind nicht unbedingt die verlässlichsten.

Das kommentiere ich nicht.

Es gibt vieles, was Sie nicht kommentieren können.

Ich dachte, Sie interviewen mich nur zur Amtseinführung.

Obama beginnt am Samstag seine Zugreise, die ihn von Philadelphia über Wilmington und Baltimore nach Washington führt. Wieder so eine Schnapsidee, sagen ehemalige Secret Service Agenten. Eine 200 Kilometer lange Zugstrecke ist schwer zu kontrollieren. Stimmt das?

Es ist eine größere Herausforderung. Wir arbeiten mit der Polizei entlang der ganzen Route. Wir holen die Leute unserer Abteilung "Technical Security" dazu.

Sie müssen jedes einzelne Haus an der Strecke kontrollieren, die Gleise, die Bäume.

Hier geht es wieder um unsere Methoden, die bespreche ich nicht, aber klar, wir müssen die ganze Strecke sichern.

Jedes Dach, jeden Busch?

Die ganze Strecke.

Interview: Jan Christoph Wiechmann