Besuch in Köln Erdogan lässt sich von Anhängern feiern

Zehntausende Erdogan-Anhänger und -Gegner drängeln sich in Köln. Beim Besuch des türkischen Ministerpräsidenten herrscht Ausnahmezustand. Während die Halle jubelt, ist die Stimmung draußen hitzig.

Mehrere zehntausend Menschen haben gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinen Auftritt in Köln protestiert. Laut Polizei kamen am Samstag mehr als 30.000 Demonstranten nach einem Marsch durch die Innenstadt zu einer Kundgebung zusammen. Die veranstaltende Alevitischen Gemeinde sprach von über 50.000 Teilnehmern. Erdogan erschien am frühen Abend unter dem Jubel von 15.000 Anhängern in der Lanxess-Arena. Viele schwenkten die rote Halbmond-Flagge und riefen vor Erdogans Rede: "Die Türkei fühlt sich mit dir geehrt".

Bei seiner Rede hat Erdogan die Berichterstattung deutscher Medien über das Bergwerksunglück von Soma kritisiert. Ein Teil der deutschen Medien habe versucht, das Unglück für sich auszuschlachten und die türkische Regierung beleidigt, sagte Erdogan.

Eine Zeitschrift habe sogar die Schlagzeile gebracht "Zum Teufel mit Erdogan". "Wie das wohl geschehen soll?", fragte Erdogan unter empörten Rufen der Zuhörer. Auch in der Türkei versuchten einige Kräfte, die Situation auszunutzen und hätten zum Teil illegale Aktionen unternommen, sagte Erdogan. Nach dem Grubenunglück mit 301 Toten war in der Türkei scharfe Kritik an der Regierung laut geworden.

Ausnahmezustand in Köln

Es gilt als wahrscheinlich, dass der 60-Jährige im August für das Präsidentenamt kandidieren wird. Dabei können erstmals auch fast 1,5 Millionen Türken in Deutschland ihre Stimme abgeben.

In Köln herrschte der Ausnahmezustand. Gegner und Anhänger Erdogans reisten zu Tausenden auch aus europäischen Nachbarländern wie Frankreich, Belgien, Österreich oder den Niederlanden an. Die Polizei war mit Hundertschaften vertreten, um Zusammenstöße zwischen beiden Lagern zu verhindern. Bis zum späten Nachmittag blieben die Proteste friedlich, wie die Polizei mitteilte. Allerdings war die Stimmung aufgeheizt.

Demonstranten forderten auf Plakaten: "Stoppt den Diktator Erdogan." Manche skandierten "Mörder" und "Faschist". Andere machten auf Transparenten deutlich: "Erdogan, du bist nicht willkommen." Redner der Alevitischen Gemeinde forderten Demokratie und Pluralität in der Türkei. Viele warfen dem türkischen Regierungschef vor, er schränke Menschenrechte ein, missachte Minderheitsrechte und beschneide die Meinungsfreiheit.

"Auf der Flucht vor Problemen in der Türkei"

Dass sich Erdogan kurz nach dem schweren Grubenunglück von Soma mit 301 Toten Zeit für einen Deutschland-Besuch nehme, sei unverzeihlich, meinten viele. "Der Umgang mit der Katastrophe ist schrecklich. Die Menschen trauern, und Erdogan macht Propaganda in Köln", kritisierte Taylan Can, einer der Demonstranten.

Offiziell sollte Erdogan zum zehnjährigen Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) sprechen, die als verlängerter Arm seiner Partei AKP gilt. Viele deutsche Politiker hatten eine Absage des Erdogan-Redeauftritts verlangt, der so kurz nach der Katastrophe unsensibel, falsch und empörend sei.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Erdogan mehrfach zu Zurückhaltung auf. Martin Schulz, der SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, sagte in Frankfurt: "Ich habe das Gefühl, er ist auf der Flucht vor Problemen in der Türkei."

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kng/DPA