Brasilien Gewaltwelle erschüttert Sao Paulo

Selbst inhaftiert versetzen brasilianische Mafia-Bosse ihr Land noch in Angst und Schrecken. Vermutlich aus Protest gegen deren Haftverlegung griffen Kriminelle Geschäfte, Busse und U-Bahnen in Sao Paulo an; 81 Menschen kamen ums Leben.

Eine seit Samstag im Südosten Brasiliens anhaltende Welle von Anschlägen und gewaltsamen Aufständen von Kriminellen hat mindestens 81 Tote gefordert und die Wirtschaftsmetropole Sao Paulo lahm gelegt. Schulen, Universitäten, Firmen, Läden und Bahnhöfe blieben am Montag geschlossen oder machten deutlich früher zu, berichteten örtliche Medien. Es handele sich um die schlimmste Gewaltwelle in der Geschichte Brasiliens.

Bei Anschlägen auf Sicherheitsbeamte, Polizeiwachen und Gefängnisse sowie bei Dutzenden von Häftlingsrevolten starben nach offiziellen Angaben in Sao Paulo und anderen Gemeinden des gleichnamigen Bundeslandes mindestens 81 Menschen; darunter 39 Polizisten und Gefängniswärter, 4 unbeteiligte Zivilisten sowie 38 mutmaßliche Verbrecher. Mindestens 60 Menschen seien verletzt worden. Außerdem habe es 91 Festnahmen gegeben.

Krieg gegen die Mafia

Die letzten Gefängnisaufstände seien am Montagabend beendet worden. 120 Geiseln seien wieder auf freiem Fuß. "Wir befinden uns in einem wahren Krieg gegen die Mafia", sagte der Landespolizeichef Elizeu Borges. Er kündigte für Dienstag eine "Gegenoffensive" der Polizei an. Viele Straßen der Stadt, die die meisten Auslandsfilialen deutscher Firmen weltweit beherbergt, waren am Montag weiterhin von schwer bewaffneten Polizeieinheiten gesperrt. Viele Unternehmen schickten ihre Mitarbeiter früher nach Hause. Die Prachtgeschäftsstraße Avenida Paulista war am Montagabend nach Angaben örtlicher Medien menschenleer.

Der Gouverneur Sao Paulos, Claudio Lembo, wies unterdessen ein Hilfsangebot der Zentralregierung in Brasilia zurück. Staatspräsident Luiz Inàcio Lula da Silva, der die Gewaltwelle als "Provokation" des organisierten Verbrechens kritisierte, hatte die Entsendung von 4000 Angehörigen der Streitkräfte angeboten. Die Gewalt ebbe bereits ab, sagte Lembo. Er bestritt Gerüchte, er habe der Mafia als "Gegenleistung" für das Ende der Gefängnisrevolten Zugeständnisse gemacht.

Protest gegen die Isolierung ranghoher Mafiabosse

Zwischen Freitagabend und Montag wurden den Angaben zufolge knapp 200 Anschläge unter anderem auch in teureren Stadtvierteln von Sao Paulo verübt. Dabei wurden auch Maschinengewehre und Handgranaten eingesetzt. Am Montag wurden insgesamt etwa 90 Busse in Brand gesetzt, auch elf Bankfilialen und zwei U-Bahn-Stationen wurden angegriffen. Der zweitgrößte Flughafen von Sao Paulo, Congonhas, musste wegen einer Bombendrohung evakuiert werden.

Die Aktionen sind nach Behördenangaben eine Antwort der Mafia auf die Zwangsverlegung von rund 740 Gefängnisinsassen in der vergangenen Woche. Dabei waren unter anderem auch acht ranghohe Mafiabosse isoliert worden. Hinter den Anschlägen wird das "Primeiro Comando da Capital" (PCC, Erstes Hauptstadt-Kommando) vermutet, das von inhaftierten Drogenbossen angeführt wird.

DPA
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