Am Rande überwiegend friedlicher Schüler-Demonstrationen ist es in der chilenischen Hauptstadt Santiago zu schweren Ausschreitungen gekommen. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Demonstranten vor. Mindestens 262 Menschen seien festgenommen und etwa 100 verletzt worden, berichteten nationale Medien. Eine Minderheit der Demonstranten habe Barrikaden errichtet, die Polizei mit Pflastersteinen beworfen und Geschäfte geplündert. Viele der zehntausend Schüler hätten versucht, die Gewalttäter zu stoppen.
Freie Fahrt für Schüler
Die Proteste verliefen ruhiger als in der vorigen Woche, als mehrere Schüler, Polizisten und Journalisten verletzt und mehr als 700 Demonstranten festgenommen wurden. Nach offiziellen Angaben nahmen mehr als 600.000 Schüler an den Demonstrationen teil. Unterstützt wurden sie von mehreren hunderttausend Sympathisanten, darunter zahlreiche Studenten.
Die Schülerorganisation ACES hatte landesweit mehr als eine Million Schüler und Studenten zu einem friedlichen "Sozial-Streik" für eine Reform des noch unter Diktator Augusto Pinochet (1973-1990) stark veränderten Bildungssystems aufgerufen. Außerdem verlangen die Schüler Freifahrten für den öffentlichen Nahverkehr. Außerhalb Santiagos verliefen die Demonstrationen friedlich.
Härteprobe für neue Regierung
Präsidentin Michelle Bachelet bedauerte die Entwicklung und bezeichnete die Demonstrationen als "überflüssig". Die Forderung der Schüler nach der kostenlosen Benutzung von Bussen lehnt sie ab. Angeboten worden seien verbilligte Fahrscheine, aber Freifahrten seien nicht zu finanzieren, ließ sie mitteilen. Außerdem sei den Schülern eine aktive Teilnahme bei der Bildungsreform zugesichert worden. Die Proteste begannen bereits vor gut einem Monat und stellen die bisher größte Herausforderung für die seit drei Monaten amtierende Regierung Bachelet dar. Verhandlungen zwischen Regierung und Schülervertretern waren in der vergangenen Woche gescheitert.
Wegen des Schülerstreiks sind die öffentlichen Schulen im ganzen Land seit einer Woche geschlossen. Begonnen hatten die Proteste mit der Besetzung einzelner Schulen in Santiago. In der vergangenen Woche erreichten sie mit ihrer Ausbreitung auf das ganze Land allerdings eine neue Dimension. Die Zusammenstöße der protestierenden Schüler mit der Polizei schockierte aber viele Chilenen. Der Polizeichef entließ daraufhin den Chef der Sondereinsatzkräfte wegen unangemessener Gewaltanwendung.