Gipfeltreffen in Finnland Keine Pöbeleien gegen Putin: Das könnte hinter Trumps ungewöhnlicher Milde stecken

Keine Pöbeleien gegen Wladimir Putin: Donald Trumps bemerkenswerte Milde
US-Präsident Donald Trump (l.) und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin (Archivbild)
© PHOTO / SPUTNIK / Mikhail KLIMENTYEV
Bellen und beißen, vor- und nachtreten - das war bisher Donald Trumps Gangart mit anderen Staats- und Regierungschefs. Nun gibt sich der US-Präsident vor dem Gipfeltreffen mit seinem russischen Amtskollegen geradezu handzahm. Das ist bemerkenswert.

"Unsere Beziehung zu Russland ist NIEMALS schlechter gewesen", schreibt Donald Trump auf Twitter. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, der Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland in Syrien, die russische Einmischung in den US-Wahlkampf oder die von Trump kritisierte deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 - es gibt zahlreiche Gründe, von einem schlechten Verhältnis zu sprechen. 

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Aber der US-Präsident sieht ein anderes Problem. "Unsere Beziehung zu Russland ist NIEMALS schlechter gewesen dank vieler Jahre von Torheit und Dummheit der USA", heißt es in seinem Tweet weiter. Die Kurzbotschaft mit Knalleffekt soll vermutlich wieder ein Seitenhieb gegen Amtsvorgänger Barack Obama sein. Doch gibt sich Trump überhaupt ungewohnt begeistert von seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin, mit dem er heute in Helsinki erstmals zu einem Gipfeltreffen zusammenkommt (Worum es dabei geht, lesen Sie hier).

Das ist bemerkenswert. Nicht zuletzt, weil ausgerechnet Putin offenbar ein exklusives Privileg genießt: Er bleibt von den Pöbeleien Trumps verschont. Zumindest vorerst.

Donald Trump, der Heckenschütze

Die Heckenschützentaktik des US-Präsidenten ist berühmt und berüchtigt: Donald Trump beherrscht die selten verbreitete Kunst des öffentlichen Vor- und Nachtretens bei gleichzeitiger Ankumpelei im persönlichen Umgang. 

Nur ein paar Beispiele:

  • Justin Trudeau: Dem kanadischen Premierminister rief Trump nach dem G7-Gipfel im Juni auf Twitter hinterher, er sei unehrlich, schwach und gebe falsche Erklärungen ab. Grund des Wutanfalls: Trudeau hatte als Reaktion auf US-Strafzölle gegen Kanada ebenfalls Zölle gegen die USA erhoben. Kurz zuvor hatte Trump das Verhältnis zu seinem Kollegen in dessen Beisein noch gepriesen. Die Zustimmung der USA zum gemeinsamen Abschlusskommuniqué zog Trump via Twitter zurück.
  • Nato: Während seine wortreiche Kritik an der Bundesregierung noch nachhallte, wütete Trump im Büro von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei O-Saft und Obst über die Europäer, die sich auf Kosten der Amerikaner beschützen ließen, während sie sie beim Handel gleichzeitig über den Tisch zögen. Danach beriet er sich mit den Führern der Nato-Mitgliedsstaaten, unterstützte auch die gemeinsame Abschlusserklärung, um kurz danach auf Twitter gegen genau dieser Erklärung zu pesten. Zwischendurch unterstreicht er sein "sehr gutes Verhältnis" zu Angela Merkel.
  • Theresa May: Die angezählte Premierministerin Großbritanniens hat die Heckenschützen-Taktik besonders perfide zu spüren bekommen. Die beiden Regierungschefs saßen noch bei einem festlichen Gala-Dinner im Blenheim Palace beisammen, als die "Sun" Teile eines Interviews mit dem US-Präsidenten veröffentlichte, das er drei Tage zuvor dem Boulevardblatt gegeben hatte. May würde den Brexit vergeigen, soll Trump in dem Gespräch gesagt haben. Dieser kanzelte das Interview später als "Fake News" ab.

Die "New York Times" hat unlängst eine Liste mit Personen, Orten und Dingen veröffentlicht, die vom US-Präsidenten beschimpft wurden. 487 Einträge zählt die Liste bisher. Tendenz: eher steigend.

Soll ein möglicher Deal nicht torpediert werden?

Warum bleibt ausgerechnet der russische Präsident Wladimir Putin (bisher) von Trump verschont? Im Westen sieht man dem Treffen daher schon mit Nervosität entgegen: Beobachter fürchten, es könnte allzu harmonisch zugehen - Verabredungen zu Lasten der EU- und Nato-Staaten werden befürchtet. Für die Europäer gibt es sicherheitspolitisch keinen Ersatz für die Nato oder den nuklearen Schirm der USA. Doch Trump hat die ganze Europa-Reise lang seine Treue zum westlichen Bündnis in Frage gestellt. "Präsident Trump will eine Weltordnung, in der Amerika keine dauerhaften Freunde mehr hat, nur noch wechselnde Verbündete und Interessen", warnte der EU-Ratspräsident Donald Tusk aus Polen.

Trumps ungewöhnliche Milde gegenüber Russland könnte seinem Wunsch nach einem Deal geschuldet sein, den er als Erfolg verkaufen kann. So scheint der US-Präsident vermutlich eine Verabredung zum Syrien-Krieg zu versuchen: Die USA ziehen ihre Soldaten ab, wenn Russland den Einfluss des Irans zurückdrängt. Doch selbst wenn so etwas vereinbart würde, ist fraglich, ob es umgesetzt werden kann. Überhaupt stapeln Amerikaner wie Russen tief, was konkrete Ergebnisse des Gipfels angehen könnte.

Zwei Dinge wären aber leicht zu verabreden. Russland und die USA und die Nato könnten ihre Aufklärungsflüge über der Ostsee und dem Schwarzen Meer weniger provokativ durchführen. Das könnte zur Entspannung beitragen - genau wie der von Trump verkündete Verzicht auf große Militärmanöver mit Südkorea nach dem Gipfel mit dem Nordkoreaner Kim Jong Un. Ähnlich leicht wäre es, die gegenseitigen Ausweisungen von Diplomaten und Schließungen von Konsulaten zurückzunehmen.

Zumindest in einer Hinsicht scheint man sich bereits einig zu sein: "Wir stimmen zu", antwortete das russische Außenministerium auf Trumps Problem-Analyse via Twitter. 

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AFP
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