Großbritannien Tony Blair weiter unter Druck

Der Druck auf den britischen Premier Tony Blair hat sich weiter verstärkt. Nach dem Rücktritt des Labour-Fraktionsvorsitzenden Cook legten auch ein Staatssekretär und ein Staatsminister ihre Ämter nieder

Der innenpolitische Druck auf den britischen Premierminister Tony Blair wegen des drohenden Irak-Krieges hat sich weiter verstärkt. Nach dem Rücktritt des Labour-Fraktionsvorsitzenden Robin Cook legten am Dienstag auch ein Staatssekretär und ein Staatsminister ihre Ämter aus Protest gegen die Irak-Politik nieder.

Scharfe Kritik

In einer Sondersitzung des Unterhauses wurde Blair am Nachmittag von einer Reihe von Abgeordneten vor allem aus der eigenen Partei scharf kritisiert. Nach Berichten britischer Medien wollten bei einer Abstimmung über seinen Kriegskurs am Abend bis zu 160 der insgesamt 412 Labour-Abgeordneten gegen Blair stimmen. Eine Mehrheit für den Premierminister galt aber als sicher, da ihm die oppositionellen Konservativen ihre Unterstützung zugesagt hatten.

Frankreich als Südenbock?

In einer teils erregt vorgetragenen Rede rief Blair die Abgeordneten auf, sich hinter ihn zu stellen. Für die Spaltung des UN-Sicherheitsrates machte er Frankreich verantwortlich. Auf die Zwischenfrage eines Abgeordneten, ob er der Einschätzung zustimme, dass Frankreich nicht den Irak, sondern die Vereinten Nationen entwaffnet habe, erwiderte Blair, das könne man auf jeden Fall so sagen.

Einigung sei greifbar gewesen

Eine Einigung über eine zweite UN-Resolution sei schon greifbar nahe gewesen, aber dann habe Frankreich mit seiner Veto-Ankündigung alle Bemühungen zunichte gemacht, sagte Blair. "Das einzige Argument, das ihn (Saddam) überzeugt, sind die 250.000 alliierten Soldaten vor seiner Haustüre. Und obwohl das so offensichtlich ist, wird uns gesagt, dass gegen jede Resolution, die den Einsatz von Gewalt erlaubt, ein Veto ausgesprochen wird."

In der als historisch eingestuften Sondersitzung des Unterhauses brachte Blair seine "leidenschaftliche Überzeugung" zum Ausdruck, dass der eingeschlagene Kurs richtig sei. Jetzt stünden harte Entscheidungen bevor. Der Ausgang des Irak-Konfliktes werde "das Muster der internationalen Politik für künftige Generationen" bestimmen.

Dritter Rücktritt

Kurz vor Beginn der Sondersitzung war als dritter Labour-Politiker John Denham, Staatsminister im Innenministerium, zurückgetreten. Er könne den Kriegskurs nicht mittragen, sagte er. Aus demselben Grund trat Philip Hunt, Staatssekretär im Gesundheitsministerium, zurück. Bereits am Montagabend hatte sich Labour-Fraktionschef Robin Cook auf die Hinterbänke zurückgezogen. Nach Einschätzung eines Teils der britischen Presse könnte er nun die "neue Galionsfigur" der Labour- Rebellen werden.

Als Erfolg für Blair werteten die Medien, dass Entwicklungshilfe- Ministerin Clare Short trotz ihrer Rücktritts-Ankündigung im Amt geblieben ist. Sie werde noch für den Wiederaufbau des Iraks gebraucht, teilte sie mit. Weitere Ministerrücktritte in Blairs Kabinett galten als unwahrscheinlich.