Die Mehrheit der Briten steht einem möglichen Krieg gegen Irak skeptisch gegenüber. Rund 58 Prozent sind derzeit nicht davon überzeugt, dass der irakische Staatschef Saddam Hussein ausreichend gefährlich ist, um eine Militäraktion zu rechtfertigen. Dies ergab eine am Sonntag veröffentlichte Online-Umfrage des Instituts YouvGov unter 1.425 Erwachsenen. Nur 34 Prozent sehen im Irak eine Bedrohung, die zugleich auch einen Kriegsgrund darstellt.
Waffeninspektoren benötigen ein Jahr
Auch glauben viele Briten, dass es den USA und Großbritannien in dem Konflikt nicht in erster Linie um die Entwaffnung des irakischen Regimes geht. Knapp jeder Dritte meint, die beiden Regierungen wollten in erster Linie die Ölproduktion in der Golfregion sichern und kontrollieren. Jeder Vierte war der Ansicht, Hauptziel sei vor allem der Sturz von Saddam Hussein. Nur 21 Prozent sagten, es gehe den Amerikanern und Briten um die Vernichtung irakischer Massenvernichtungswaffen.
Unterdessen erklärte ein Sprecher der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), Mark Gwozdecky, im britischen Rundfunk, die Waffeninspektoren im Irak bräuchten rund ein Jahr Zeit, um glaubwürdige Überprüfungen durchführen zu können.
Am Wochenende war bekannt geworden, dass die USA am Golf weiter aufrüsten und ihr dortiges Truppenkontinent innerhalb der kommenden Wochen verdoppeln. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unterzeichnete den Marschbefehl für 62.000 weitere Soldaten. Auch der britische Flugzeugträger "Ark Royal" befindet sich auf dem Weg an den Golf.
Der türkische Ministerpräsident Abdullah Gül sagte am Sonntag während seines Besuchs im Iran, ein von den USA angeführter Kriegszug gegen Irak könne noch vermieden werden. Dazu seien aber Anstrengungen aller Nachbarstaaten in der Region notwendig. Zudem müsse Irak alle Resolutionen der Vereinen Nationen ohne Vorbedingungen erfüllen, um nicht den Anlass für eine Militäraktion zu bieten.
"USA auf UN-Kurs halten"
Als erstes Mitglied der britischen Regierung hat sich Entwicklungsministerin Clare Short klar gegen einen Irak-Krieg ohne UN-Unterstützung ausgesprochen. Einen Alleingang der USA dürfe Großbritannien nicht unterstützen, sagte Short am Sonntag im britischen Fernsehen. Vielmehr sei es "die Pflicht Großbritanniens", mäßigend auf US-Präsident George W. Bush einzuwirken.
Premierminister Tony Blair und Außenminister Jack Straw vertreten die Linie, dass es zwar wünschenswert wäre, wenn die UN vor einem Krieg in einer neuen Resolution ein militärisches Vorgehen gegen den Irak billigen würden. Dies sei aber keine notwendige Bedingung für einen Krieg. Short dagegen sagte am Sonntag: "Die Rolle Großbritanniens in dieser historischen und gefährlichen Zeit ist es, zu versuchen, die USA weiter auf UN-Kurs zu halten, die Autorität der UN zu stärken und nicht vom UN-Weg abzuweichen."
Viele Menschen misstrauten den USA und seien «wütend» über das Vorgehen von Bush, weil sich dieser nicht ausreichend für den Friedensprozess im Nahen Osten einsetze, sagte Short. "Das gibt der Welt das Gefühl, dass hier unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. (...) Was die Leute am wütendsten macht, ist das enorme Leid des palästinensischen Volkes."