Das israelische Parlament hat eine vorübergehende Amtsunfähigkeit des unter Vergewaltigungsverdacht stehenden Präsidenten Mosche Katzav akzeptiert. Eine Mehrheit von 13 Mitgliedern des zuständigen Ausschusses habe einen entsprechenden Antrag Katzavs gebilligt, berichteten israelische Medien. Elf Parlamentarier waren dagegen. Der Ausschuss forderte Katzav zugleich auf, ganz zurückzutreten.
"Eine vorübergehende Amtsunfähigkeit ist ein schlechter Witz", meinte der Likud-Fraktionsvorsitzende Gideon Saar am Donnerstag während einer Debatte in der Knesset. "Bei allem Schmerz - er (Katzav) darf nicht im Amt bleiben." Auch Ministerpräsident Ehud Olmert forderte nach der Rede am Mittwochabend erstmals offen Katzavs Rücktritt. Der Regierungschef muss allerdings selbst eine Anklage wegen Korruption fürchten, die Polizei hat bereits Ermittlungen aufgenommen. Die peinliche Sex-Affäre um Katzav nährt nur die allgemeine Politikverdrossenheit der Israelis, deren Führungsspitze von einem Skandal in den anderen schlittert.
Präsident vor Anklage
Auch in israelischen Medien verstärkt sich der Druck auf Katzav. Die Art und Weise, mit der Katzav das Präsidentenamt verlässt, sei nicht mehr wichtig, schreibt die Tageszeitung "Haaretz". "Aber wenn die erhobenen Vorwürfe stimmen, ist nicht zu erwarten, dass er jetzt beginnt, ehrenhaft zu handeln." Die israelische Staatsanwaltschaft will den Präsidenten wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Korruption vor Gericht stellen. Über eine endgültige Anklageerhebung solle allerdings erst nach einer letzten Anhörung Katzavs entschieden werden. Nach israelischen Medienberichten könnte dies erneut bis zu drei Monate dauern. Die Höchststrafe für Vergewaltigung beträgt in Israel 16 Jahre.
Auch der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hatte am Mittwoch einen Rücktritt Katzavs gefordert. In einer flammenden Rede hatte Katzav zuvor von einer Lügenkampagne und Hexenjagd mit ethnischem Hintergrund gegen ihn gesprochen. Die flammende Verteidigungsrede des unter Vergewaltigungsverdacht stehenden israelischen Präsidenten Mosche Katzav hat Schockwellen durch die israelische Gesellschaft gesandt. Nach einem halben Jahr des Schweigens äußerte er sich mit einem wütenden Rundumschlag erstmals ausführlich vor der Presse zu den Vorwürfen. In seiner fast einstündigen Ansprache rüttelte der "Bürger Nummer eins" am Mittwochabend an den Grundfesten der israelischen Demokratie.
"Ohne Prozess hingerichtet"
Katzav griff kollektiv Generalstaatsanwalt, Polizei und Presse, die ihn anklagenden Frauen sowie die eigene Likud-Partei an. Der Sohn einer iranischen Einwandererfamilie stellte sich als Opfer ethnischer Diskriminierung dar, dem man übel nehme, dass er nicht Mitglied der aus Europa stammenden politischen Elite sei. Die Presse habe ihn "ohne Prozess hingerichtet", sagte Katzav. Medien und Polizei hätten sich "wie in totalitären Staaten" gegen ihn zusammengetan, der Generalstaatsanwalt Menachem Masus habe ihm gegenüber sein Wort gebrochen. Katzav säge mit seinen Angriffen "an dem Ast, auf dem er selbst sitzt", meinte ein Kommentator der Zeitung "Jediot Achronot" am Donnerstag.
Die stark emotional gefärbte Ansprache, auf deren Höhepunkt Katzav einen der anwesenden Fernsehjournalisten laut anschrie und zum Verlassen des Raums aufforderte, hatte nur noch wenig mit der gediegenen und würdigen Verhaltensweise eines Staatsmannes zu tun, die sich Israelis von ihrem Staatsoberhaupt wünschen. "Wie sehen wir nur aus - welch eine Scham, welch eine Schande", meinte Limor Liwnat, Abgeordnete der rechtsorientierten Likud-Partei, in der Katzav seinen politischen Werdegang vollzogen hat.
Demonstration stolzer Entschlossenheit
Zu Beginn der mit Spannung erwarteten Rede demonstrierte Katzav noch stolze Entschlossenheit und enge Verbundenheit mit seiner Familie. Begleitet von seiner Frau Gila, mit der er seit 37 Jahren verheiratet ist, und seinen fünf erwachsenen Kindern schritt er hoch erhobenen Hauptes in den Saal. Seine Ehefrau, die vor der Ansprache noch angestrengt lächelte, begann zwischendurch leise zu weinen.
Die vehemente Verteidigungsrede des weißhaarigen Präsidenten, der bisher für seine öffentliche Zurückhaltung bekannt war und eher als "netter Großvater" galt, dürfte in den Herzen mancher Israelis Zweifel an Katzavs Schuld gesät haben. Dennoch wünschen sich laut einer Umfrage mehr als zwei Drittel seinen Rücktritt.
Führender Kandidat für eine Nachfolge Katzavs ist der Friedensnobelpreisträger Schimon Peres, der bei der letzten Präsidentenwahl verloren hatte. Viele erhoffen sich von ihm, dass er der ramponierten Institution des Staatspräsidentenamtes wieder zu Ansehen verhilft. "Seine Wahl wäre für uns alle eine heilsame Erfahrung nach dem Trauma Katzav", meinte eine Kommentatorin der Zeitung "Maariv".