Italien-Wahl Zurück in die Isolation

Die drittgrößte Wirtschaftskraft Europas torkelt am Rand des Abgrunds, doch der neue Regierungschef Silvio Berlusconi wird unbekümmert Steuergeschenke unters Volk verteilen. Dafür haben ihn die Italiener gewählt. Für das Land bedeutet das nichts Gutes und den Rückschritt in die Isolation.

Die Italiener wissen, was sie von Silvio Berlusconi zu erwarten haben: Possen, Pointen und Protzereien. Im Gegensatz zu seinem Show-Talent war seine Regierungsleistung jedoch mehr als dürftig. Dennoch wählte eine große Mehrheit den Populisten nun zum dritten Mal. Manche tun es mit einem Augenzwinkern, einige rümpfen dabei die Nase, andere erliegen naiv dem Charme des Blenders. Doch die Italiener haben dem 71-Jähirgen noch einmal ihr Land anvertraut.

Denn das Verkaufsgenie Berlusconi hat ihnen geschickt vermittelt, dass unter Mitte-Links alles schief lief. Er machte die Prodi-Regierung für die stinkenden Müllberge in Neapel verantwortlich, schob ihr das Null-Wachstum in die Schuhe. Zu Hilfe kamen dem Demagogen zudem die steigenden Preise bei stagnierenden Löhnen, die desolate Lage auf dem Arbeitsmarkt, wo Studienabgänger in Call-Centern veröden. Ein verkrustetes Schulsystem, für das keine Mittel bereit stehen. Und eine notorisch schwache Geburtenrate. Die drittgrößte Wirtschaftskraft Europas torkelt am Rand des Abgrunds.

Rezepte dagegen hat Berlusconi keine. Aber er wird dennoch gewählt oder gerade deswegen. Der Führer des rechten Wahlbündnisses "Volk der Freiheit" versprach die Abschaffung der Immobiliensteuer und zauberte am letzten Wahlkampftag noch die Streichung der Kfz-Steuer wie ein Kaninchen aus dem Hut. Mit ihm wird es also keine schmerzhaften Reformen geben, die dem Land wieder auf die Beine helfen würden. Er wird den Menschen keine Opfer abverlangen und sie nicht im Namen der Sanierung zum Verzicht zwingen. Stattdessen wird er seine Steuergeschenke unbekümmert unters Volk verteilen und den Schuldenberg wieder wachsen lassen. Dafür wählen ihn die Italiener.

Im Kleinen nachahmen, was er im Großen vormacht

Und weil sie im Kleinen nachahmen, was er im Großen vormacht: Wie man Steuern hinterzieht, Bilanzen fälscht, schwarzarbeiten lässt und sein Haus illegal ausbaut. Das Gesetz austricksen, das geht unter Berlusconi leichter, glauben die meisten. Und vom Staat erwarten seine Wähler eh nicht viel - außer, dass er sie in Ruhe lässt.

Berlusconis Kontrahent Walter Veltroni ist hingegen mit einem schweren Erbe angetreten. Auf ihm lastete das Versagen der Regierung Prodi, bei der es jeden Tag Streit gab, bis sie vor zwei Monaten ihre Mehrheit verlor. Dennoch ist es dem Führer der Demokratischen Partei gelungen, die Neugründung aus Linksdemokraten und Katholiken als linksliberale Kraft in der italienischen Parteienlandschaft zu etablieren.

Zum Wahlsieg hat es aber nicht gereicht. Der Versöhner Veltroni hatte absichtlich auf Angriffe auf den politischen Gegner verzichtet, um die alten Grabenkämpfe zwischen rechts und links überwinden zu helfen. Doch es wollte bei ihm keine rechte Stimmung aufkommen, der Barack-Obama-Effekt blieb aus. Mit zukunftsgerichteten Reformvorschlägen allein konnte Veltroni zu wenige Wähler mitreißen. Ihm fehlte der Mut zu einem offensiveren Auftreten, vielleicht auch der Rückhalt in den eigenen Reihen.

Berlusconi hat nun gute Chancen, eine stabile Regierung zu bilden. Der künftige Premier und sein Bündnispartner Gianfranco Fini, Führer der Nationalen Allianz, werden von dem Norditaliener Umberto Bossi unterstützt. Dessen Lega Nord erzielte ein überraschend gutes Wahlergebnis mit landesweit sechs Prozent. In den Stammregionen Lombardei und Venetien wählte jeder Fünfte den gegen Ausländer polternden Separatisten. Für Italien bedeutet das alles nichts Gutes. Es ist ein Rückschritt in die Isolation von Europa. Berlusconi wird seine Macht benutzen, um die Staatsanwälte von sich fernzuhalten und das Vermögen seines TV-Imperiums zu mehren. Unter Berlusconi droht eine Aushöhlung des demokratischen Systems.