Japan Denkzettel für die Liberaldemokratische Partei

Die Japaner haben der Partei des Reformers und Regierungschefs Junichiro Koizumi die absolute Mehrheit im Parlament entzogen.

Die Japaner haben bei den Wahlen am Sonntag der Partei des Reformers und Regierungschefs Junichiro Koizumi einen Denkzettel verpasst und ihr die absolute Mehrheit im Parlament entzogen. Koizumi dürfte es somit schwerer fallen, seine umstrittene Reformagenda durchzusetzen.

Die seit 50 Jahren fast ununterbrochen regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) ist nach den in den Medien veröffentlichten vorläufigen Ergebnissen künftig auf Stimmen ihrer kleineren Koalitionspartner angewiesen. Erstarkt ist hingegen die größte Oppositionskraft, die Demokratische Partei. Ihr Abschneiden zeigt nach Ansicht von Experten, dass sich Japan nach der jahrzehntelangen Dominanz der LDP auf ein Zwei-Parteien-System zubewegt.

Aus dem Innenministerium verlautete, wegen Problemen in einigen Wahlkreisen verzögere sich die Bekanntgabe des Endergebnisses. Möglicherweise werde es erst am späten Montag (Ortszeit) oder gar erst am Dienstag vorliegen.

Fortsetzung des Reformkurses wurde angekündigt

Koizumi hatte 2001 die Nachfolge des unpopulären Yoshiro Mori angetreten. Der 61-Jährige Regierungschef hat eine Fortsetzung seines Reformkurses angekündigt. Er will die öffentlichen Ausgaben weiter senken, die Privatisierung von Staatsbetrieben vorantreiben und den angeschlagenen Bankensektor weiter reformieren. Dabei ist sein Reformprogramm auch in den eigenen Reihen nicht unumstritten. Während einige kritisieren, er gehe zu schnell vor, werfen ihm andere vor, zu zögerlich zu sein.

Auf das Geschehen am Tokioter Aktienmarkt hatte Händlern zufolge der Ausgang der Parlamentswahlen kaum Auswirkungen, auch wenn Bankentitel stärker als der Markttrend nachgaben. Die Verluste der LDP könnten in der Partei Reformgegnern Auftrieb geben, sagte Koji Muneoka von HSBC in Tokio. "Dass die LDP Sitze verloren hat, ist in gewisser Weise ein Sieg für die alte Garde in der Partei, die jetzt wieder (den Minister für Finanzdienstleistungen Heizo) Takenaka attackieren wird." Takenaka gilt als Architekt strikter Bankenreformen.

Unbefriedigendes Ergebnis für die LDP

In vielen japanische Zeitungen war am Montag auf den Titelseiten ein säuerlich dreinblickender Koizumi zu sehen, während der Chef der Demokratischen Partei, Naoto Kan, auf den Pressefotos zufrieden lächelte. Nach in den Medien verbreiteten vorläufigen Ergebnissen verfehlte die LDP mit 237 der insgesamt 480 Parlamentssitze knapp die absolute Mehrheit. Ihr wichtigster Koalitionspartner, die Neue Komeito, errang 34 Sitze. Der kleinste Koalitionspartner, die Neue Konservative Partei, kam demnach auf vier Sitze. Auf die größte Oppositionspartei, die Demokratische Partei, entfielen den Medienberichten zufolge 177 Mandate.

Koizumi hatte angekündigt, an der Koalition mit der Neuen Komeito und den Neuen Konservativen Partei festhalten zu wollen. Im alten Abgeordnetenhaus hatte die Koalition 287 Sitze.

Verschwinden der traditionellen Basis

Das starke Abschneiden der größten Oppositionspartei wertete der Tokioter Universitätsprofessor Yasunori Sone als Schritt hin zu einem Zwei-Parteien-System, wie es viele westliche Demokratien kennen: "Das ist ein Schritt hin zu einer Veränderung der Regierung und ein großer Schritt hin zu einem Zwei-Parteien-System."

Die LDP konnte sich in der Vergangenheit auf eine breite Schicht von Stammwählern vor allem aus der Landwirtschaft, dem Kleingewerbe und der Bauindustrie stützen. Da diese traditionelle Basis aber immer mehr schwindet und die Zahl der Wechselwähler stetig wächst, hatte die LDP ihre Hoffnungen auf die Popularität des 61-jährigen Ministerpräsidenten gesetzt. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 60 Prozent nur unwesentlich höher als bei den Wahlen 1996, als mit 59,6 Prozent ein Rekordtief erreicht wurde