Bevor wir zu den Katzen kommen, werfen wir am besten noch einmal einen kurzen Blick auf die Ausgangslage: Gewaltig waren die Erwartungen vor diesem TV-Duell. Medienleute stilisierten es zum "wichtigsten Duell in der Geschichte". Die Wähler, so hieß es, wüssten so ziemlich alles, was sie über Donald Trump wissen müssen, aber sie würden sich immer noch fragen, wo Kamala Harris stehe, was für ein Politikertypus sie sei. Besonders groß war deshalb die nervöse Hoffnung der Demokraten: Vielleicht würde sie noch unentschlossene Wähler überzeugen, wenn sie nur mehr von ihr hörten.
Die Debatte, so hieß es, sei deshalb für Kamala Harris die größte Gelegenheit, sich zu profilieren. Vielleicht sogar ihre letzte Gelegenheit, denn sie hat nur noch knapp zwei Monate Zeit.
Die Frage ist nun: Hat sie das getan?
Womit wir fast schon bei den Katzen wären.
Kamala Harris und Donald Trump – wie Tom und Jerry
Natürlich, Kamala Harris war hervorragend vorbereitet. Sie wusste, welche Punkte sie ansprechen wollte, sie sprach gelassen, ruhig und erzählte oft auch detailreich von ihren Plänen, zum Beispiel über Mietsenkungen und Steuererleichterungen für junge Eltern, die armen Trump-Leute vermuteten bestimmt schon, sie lese von einem unsichtbaren Teleprompter ab.
Wichtiger aber: Harris war eine gewiefte Fallenstellerin. Egal, welchen politischen Stolperdraht sie auslegte, Trump trampelte drüber, es erinnerte entfernt an eine "Tom und Jerry"-Episode, eindeutig mit Harris in der Rolle der schlauen Maus. Zur Weißglut trieb Harris den immer ärgerlicheren Donald Trump, als sie von seinen Kundgebungen sprach, auf die er sich so viel einbildet. Viele Menschen, stichelte sie, würden seine Reden aus Langeweile und Erschöpfung schon lange vor Schluss verlassen.
Sie brachte Trump auf eine Betriebstemperatur, die ihn schon früh diese absurde Episode mit den Katzen erzählen ließ. "Viele Städte wollen nicht darüber reden, weil es ihnen so peinlich ist", sagte er. "In Springfield fressen sie die Hunde. Die Leute, die hierher kamen, fressen die Katzen. Sie fressen – sie fressen die Haustiere der Menschen, die dort leben." Moderator David Muir wies Trump sofort zurecht, die Behauptung stimme schlicht nicht. Und Harris musste nicht viel mehr tun, als über Trumps Mär zu lachen.
Die Republikaner reden nicht vom Duell. Sie reden von: Katzen
Viele Republikaner allerdings steigen nun erst recht auf die Katzen-Gruselstory ein, die Trumps Kandidat fürs Vizepräsidentenamt J.D. Vance aufgebracht hatte, als er behauptete, illegal eingewanderte Migranten aus Haiti würden in einer Stadt im US-Bundesstaat Ohio Haustiere klauen und essen. Jetzt fluten Abgeordnete und Offizielle der Republikaner die sozialen Medien mit Katzenbildern, Trump selbst postete das Bild einer Katze mit MAGA-Kappe und Maschinengewehr.
Miau. Das ist die Realität, gegen die Kamala Harris antritt. Die Katzenrealität. So weit ist die politische Landschaft der USA. Um im Bild zu bleiben: Sie ist vor die Hunde gegangen.
In einer anderen Realität ist der Abend wirklich schlimm gelaufen für Donald Trump. Und doch kann Kamala Harris noch nicht jubeln. Denn noch immer trauen ihr viele Wähler gerade in der Wirtschaftspolitik weniger zu, und wenn Trump nach diesem Auftritt keinen politischen Schaden nimmt, dann heißt das, dass er noch unverwundbarer gegenüber den traditionellen Spielregeln der Politik ist, als sich die Demokraten vorgestellt haben. Denn Trump hat noch immer verdammt gute Chancen, wieder ins Weiße Haus einzuziehen.

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Wenn die Umfragen in den kommenden Tagen unter dem Eindruck der Debatte für Kamala Harris nicht nach oben gehen, wird es sehr eng werden für sie. Dann ist es ihr nicht gelungen, die wenigen verbliebenen Wechselwähler für sich zu gewinnen. Und dieser Abend wird in die Geschichte der USA eingehen. Als großer Katzenjammer.