Kolumbien Die Geisterstadt der Guerilleros

Die kolumbianische Armee hat unter Präsident Uribe einen harten Kurs gegen die Rebellengruppen eingeschlagen. Jetzt eroberte sie eine kleine Stadt mittem im Dschungel, die von den FARC-Rebellen fast vollkommen evakuiert wurde.

In den Wohnzimmern stehen noch die Christbäume. Kleider liegen im Wäschetrockner. Alles deutet auf eine überstürzte Flucht hin. Die fast 1.500 Bewohner von Union Peneya haben das Dorf Anfang Januar verlassen. Die Kämpfer der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC), der größten Rebellengruppe des Landes, ordneten die Evakuierung an, als die Armee auf den Ort vorrückte. Nun gleicht Union Peneya einer Geisterstadt.

Der einzige Bewohner, der noch da ist, ist Antonio Burgos. Er ist 83 Jahre alt - zu alt, um zu fliehen, wie er sagt. Die Todesfurcht habe die Bevölkerung aus dem Dorf und in nahe gelegene Siedlungen im Dschungel getrieben, erzählt Burgos. "So etwas ist auch früher schon passiert, aber es hat noch nie so lange gedauert", erinnert sich der alte Mann.

Vier Jahrzehnte Bürgerkrieg

Schon vier Jahrzehnte währt der Bürgerkrieg in Kolumbien. Union Peneya liegt im Staat Caqueta - traditionell eine Hochburg der FARC. Auf dem Friedhof des Dorfes sind Guerilleros in einem eigens für sie reservierten Abschnitt begraben. Auf 25 Marmor-Grabsteinen stehen die Kampfnamen der Rebellen. "Wenn wir triumphieren und das Leben genießen wollen, müssen wir der FARC helfen", heißt es auf einer Grabinschrift.

Präsident Alvaro Uribe, der in der kommenden Woche nach Europa reisen und auch in Deutschland Station machen will, verfolgt - anders als sein Vorgänger - einen harten Kurs gegen die Rebellen. In Caqueta und anderen Rebellen-Hochburgen haben die Streitkräfte eine Offensive gestartet. Die Armee will die Kontrolle über die Gebiete erobern, um den Guerilla-Gruppen ihre Rekrutierungsbasis zu entziehen und den Drogenanbau zu unterbinden, der den Kampf der Rebellen finanziert. Und sie will die Menschen in diesen Gegenden davon überzeugen, dass es ihnen besser geht, wenn sie auf seiten der Regierung stehen.

"Das Machtzentrum angreifen"

"Das ist Teil eines Planes, die Struktur der FARC in ihrem Machtzentrum anzugreifen, dort, wo sie die Kraft zum Kämpfen hernimmt", sagt Martin Orlando Carreno, der neue Befehlshaber der kolumbianischen Streitkräfte, beim Besuch in Union Peneya. Die Soldaten patrouillieren durch die Straßen, seit sie den Ort im Januar eingenommen haben. Die Armee hat die Bewohner aufgefordert heimzukehren, doch viele haben Angst, dass die Rebellen zurückschlagen und Union Peneya wieder unter ihre Kontrolle bringen könnten. Und dann, so fürchten sie, könnte die FARC diejenigen bestrafen, die sich ihrem Evakuierungsbefehl widersetzt haben.

In einer ländlichen Gegend, nicht weit von Union Peneya entfernt, haben die Soldaten ein Arsenal der FARC mit Waffen, Funkgeräten und Bargeld entdeckt. In Florencia, der Hauptstadt von Caqueta, zeigt Carreno die beschlagnahmten Dinge dem Präsidenten. Uribe nutzt die Gelegenheit, um erneut seine Entschlossenheit im Kampf gegen die Rebellen zu bekräftigen. "Es ist keine leichte Aufgabe. Aber lassen Sie mich versichern, dass wir entschlossen sind, diese Kriminellen zu stoppen, damit wir Zeugen werden, wie Frieden und Ruhe zurückkehren zu den Leuten, die es verdienen", sagte Uribe.

Steuern an die FARC

Union Peneya, knapp 400 Kilometer südwestlich von Bogota, lebte vom Drogenhandel, von der Produktion des Kokain-Rohstoffes. Wer die Kokapaste produzierte, musste der FARC Steuern zahlen. Für den Handel schuf die Rebellenorganisation sogar eine eigene Währung. Die Scheine - Kopien der offiziellen Banknoten, signiert vom "FARC-Schatzamt" - konnten Berichten zufolge in speziellen Rebellen-Banken gegen Bargeld eingetauscht werden.

Diese Zeit ist vorbei. Der einst lebhafte Ort ist gespenstisch ruhig. Lediglich die Schritte eines Soldaten, der durch die Straßen läuft, oder gelegentliche Tierlaute unterbrechen die Stille. Niemand weiß, ob die Dorfbewohner jemals zurückkommen - oder ob sie für immer dem Heer der rund zwei Millionen Menschen angehören werden, die der Bürgerkrieg zu Vertriebenen gemacht hat.

Margarita Martinez