Kommentar Italien droht politisch zu erstarren

Nach den jüngsten Berechnungen hat Romano Prodi in beiden Kammern eine hauchdünne Mehrheit. Das Regieren dürfte ihm schwer fallen - "Es wird sehr hart", weiß der Herausforderer.

Italien ist ein gespaltenes Land. Politisch blieb ein eindeutiges Votum pro oder contra Silvio Berlusconi aus, kulturell herrscht ein Klima der Feindseligkeit und des gegenseitigen Misstrauens zwischen Mitte-Rechts und Mitte-Links. Am Tag nach der Wahl wurde in beiden Lagern die Rechtmäßigkeit der Stimmenauszählung angezweifelt. Ein Zusammengehen der Bündnisse scheint unvorstellbar. Italien droht in einer politischen Lähmung zu erstarren.

Die Unzuverlässigkeit der Hochrechnungen heizte zusätzlich das Klima an. Nachdem gestern Nachmittag die ersten Prognosen Romano Prodi einen sichern Sieg bescheinigten, drehte sich der Trend in den Abendstunden, Berlusconi holte auf, überholte Prodi in der zweiten Kammer, dem Senat. Während der Herausforderer in der Abgeordentenkammer knapp in Führung blieb, verlor er, weil ihm ein Sitz fehlte, den Senat an das Berlusconi-Lager.

Forza Italia stärkste Partei

Schuld daran war nicht zuletzt das von Berlusconi gewollte neue Verhältniswahlrecht mit einem unterschiedlichen Wahlmodus für die beiden gleichberechtigten Kammern. Es sieht für den Senat einen Mehrheits-Bonus auf regionaler Ebene vor, ganz zum Vorteil für das Mitte-Rechts-Bündnis. Im Falle seiner Niederlage, so das Kalkül des Cavaliere, solle die Opposition nicht regieren können. Seine Partei Forza Italia hat den Abwärtstrend stoppen können. Sie bleibt die stärkste Partei des Landes. Punkten konnte auch die neokonservative Alleanza nazionale, die Christdemokraten erzielten ebenfalls einen satten Stimmengewinn.

Den jüngsten Hochrechnungen vom Dienstag zufolge hat es Prodi dennoch knapp geschafft. Mit Hilfe der italienischen Wähler im Ausland konnte er das Ergebnis im Senat noch einmal umdrehen. Er gewann vier von sechs noch zu verteilenden Sitzen hinzu. Angesichts des hauchdünnen Wahlsiegs wird es der Koalitionsführer vermutlich schwer haben, sein Bündnis zusammenzuhalten. Die Linksdemokraten und die katholisch geprägte Margherita, die erstmals gemeinsam als Liste Ulivo antraten, haben kaum Gewinne verbucht, während die altkommunistische Rifondazione Prodi gestärkt aus den Wahlen hervor geht. Prodi zeigte sich heute realistisch: "Wir haben um ein Haar gesiegt, wir können die nächsten fünf Jahre regieren, auch wenn es sehr hart wird." Die erste Bewährungsprobe steht gleich im Mai an: dann muss Italien einen neuen Staatspräsidenten wählen.