Krieg in Libyen Stiller Streik gegen den Diktator

  • von Friederike Ott
Die Luftangriffe auf Libyen bleiben auch am vierten Tag wirkungslos: Gaddafi geht weiter brutal gegen die Rebellen vor. Tripolis gleicht einer Geisterstadt. Wer gegen Gaddafi ist, bleibt zu Hause.

Die Straßen von Tripolis sind leer. Die meisten Geschäfte sind an diesem Dienstag geschlossen, nur in ein paar Cafés sitzen Menschen. Es ist ruhig, nur ab und zu fahren Autos von Gaddafi-Unterstützern vorbei, grüne Flaggen wehen. Doch die meisten Menschen bleiben in ihren Häusern. Vielleicht aus Angst nach den nächtlichen Luftangriffen. Vielleicht treten sie auch in eine Art stillen Streik gegen das Gaddafi-Regime.

Über die Gründe zu sprechen, traut sich hier niemand, laut zu protestieren schon gar nicht. Wer gegen Gaddafi ist, bleibt zu Hause.

In der Nacht haben alliierte Flugzeuge die dritte Welle der Angriffe auf Libyen geflogen. Offiziellen Angaben zufolge nahmen Kampfflugzeuge mehrere Einrichtungen in Tripolis unter Beschuss. Der Einsatz konzentrierte sich vor allem auf Militärflughäfen und Stützpunkte der libyschen Marine.

Die Toten kamen nicht

Doch Gaddafi ist bemüht, der Welt ein anderes Bild zu vermitteln. Ein Sprecher der libyschen Regierung sagte, die Bomben und Raketen der westlichen Koalition hätten Ziele in den Städten Tripolis, Al Sawija, Misrata, Sirte und Sebha getroffen. "Es gab zahlreiche Opfer, darunter auch Zivilisten."

Wie ernst zu nehmen solche Äußerungen sind, weiß niemand so genau. Vor ein paar Tagen etwa berichtete die britische Tageszeitung "Guardian", Gaddafi habe Leichen aus den Krankenhäusern geholt, um zivile Opfer als Folge der alliierten Bombenangriffe präsentieren zu können.

Ein anderes Mal rief die Regierung zu der Beerdigung von 25 Opfern der alliierten Luftangriffe auf. Etwa 3000 Trauernde kamen und beteten, das berichtet ein Augenzeuge. Die Gräber waren ausgehoben und mit Blumen geschmückt. Die Gäste warteten darauf, dass die Toten in die Gräber getragen würden, stundenlang. Doch die Toten kamen nicht.

"Es ist wie ein Theater"

Ausländischen Journalisten wird die freie Berichterstattung verwehrt. Wer sich nicht an die Regeln hält, läuft Gefahr, entführt zu werden. Sieben ausländische Journalisten befinden sich nach Informationen der Organisation Reporter ohne Grenzen derzeit in der Hand von Gaddafis Militär.

Nur wenige Journalisten bekommen ein Visum und die, die eines haben, werden von Vertretern des Gaddafi-Regimes umfassend betreut. Zu sehen bekommen sie nur, was der Machthaber ihnen zeigen will: Zum Beispiel seine zerbombte Residenz in Tripolis oder andere Schäden, die die westliche Allianz angerichtet hat. Gaddafi-Plakate hängen überall. "Es ist wie ein Theater", sagt ein Beobachter.

Derweil geht Gaddafi weiter brutal gegen die Rebellen im Osten des Landes vor. Seine Truppen nahmen Misrata und Sintan unter schweren Beschuss. Dutzende Menschen starben. "In Misrata ist ein Massaker im Gange", beschreibt ein Sprecher der Aufständischen die Lage in der seit Wochen eingeschlossenen Stadt. Das Zentrum liege im Feuer von Gaddafis Panzern.

Verwundete werden auf den Krankhausfluren operiert

Auch die Einwohner Misratas zeichnen ein düsteres Bild von der Lage. "Seit dem Morgen beschießen Panzer die Stadt", sagt ein Bewohner. Auch Scharfschützen nähmen an den Kämpfen teil. Vier Kinder seien beim Angriff auf ein Auto getötet worden: "Das Älteste war gerade 13 Jahre alt." Ärzte berichten, Verwundete mit Schuss- und Splitterverletzungen würden auf Krankenhausfluren operiert.

Auch beim Angriff auf Sintan setzten Gaddafis Truppen nach Berichten des Fernsehsenders Al Dschasira schwere Waffen ein. Bewohner flüchteten aus dem Stadtzentrum und brachten sich in den Bergen in Sicherheit. Mindestens zehn Menschen sollen getötet worden sein.

Trotz Eingreifen der westlichen Allianz starteten die Rebellen im Osten keine Offensive. Zwar seien die Luftschläge hilfreich, weil sie die schweren Waffen der Regierungstruppen zerstörten. Doch Gaddafi habe Panzer und Lastwagen mit Raketen.

DPA · Reuters
mit Material von AFP/Reuters/DPA