Medien Journalisten arbeiten im Rhythmus der Bomben

In Bagdad ist der Arbeitsrhythmus der Berichterstatter klar: Kaum sind die Bomben gefallen, werden schon die Meldungen darüber abgesetzt. Dann fängt wieder das große Warten an.

«Hallo Hamburg, hört ihr mich noch», ruft Stephan Kloss, Mitarbeiter der ARD-Fernsehens in Bagdad, zur Bestätigung ins Telefon. Gerade sind in einer zweiten Welle des amerikanischen Angriffs auf das Land Regierungsgebäude im Zentrum der irakischen Hauptstadt mit lautem Knall und anschließendem tiefem Grollen getroffen worden.

Hektik nach dem Bombardement

Der Journalist ist in Warteposition und wird gleich direkt nach Deutschland berichten, was er sieht: Detonationen, Flammen und Rauch. Es ist der erste Angriff auf die Innenstadt, und die 250 internationalen Journalisten in Bagdad sind in Hektik, weil sie im Rhythmus der Bombardierung schnell ihre Meldungen und Reportagen absetzen wollen.

Etwa 250 Journalisten harren weiter aus

Obwohl US-Präsident George Bush die ausländischen Journalisten im Irak aufgefordert hatte, das Land vor einem amerikanischen Angriff zu verlassen, ist eine große Zahl der Berichterstatter geblieben. Damit ist die erklärte Strategie der US-Regierung, mit in die US-Truppen «eingebetteten» Reportern die Berichterstattung zu steuern, nicht ganz aufgegangen.

Informationsministerium und Behörden

Die in Bagdad verbliebenen Journalisten ringen mit technischen Schwierigkeiten und den Behörden. Bei der Arbeit gibt es Licht und Schatten. Auf der Seite des irakischen Staates ist ein Informationsministerium für die Journalisten zuständig. Dort werden Pressekonferenzen organisiert - und auch nur dort dürfen die Übertragungsanlagen für Fernsehbilder und Textberichte genutzt werden.

Auf drei Hotels verteilt

Die ausländischen Journalisten sind auf drei Hotels in der Stadt verteilt. Beliebt ist das Hotel «Palestine», dass auf der dem Regierungsviertel gegenüberliegenden Seite des Tigris steht. Im Wettlauf um Zimmer wird mit allen Tricks gearbeitet. Tagelang waren schwitzende Kofferträger damit beschäftigt, Wasserflaschen und private Nahrungsvorräte in die Stockwerke zu schleppen.

Recherche nur noch in Gruppen

Begleiter des Ministeriums sind für eine Kontrolle der Reporter zuständig, wenn sie sich außerhalb des Hotels bewegen wollen. Lange Zeit konnten sich die Journalisten mit dem «Aufpasser» relativ frei in der Stadt bewegen. Seit der Krieg begonnen hat, sind Recherchen nach offizieller Maßgabe nur noch in organisierten Gruppen möglich. Doch existieren Freiräume, um authentische Eindrücke vom Leben und dem Geschehen zu bekommen.

Augenzeugenberichte

«Es ist ein permanentes Abtasten der Grenzen. Wir müssen Lösungen finden, damit wir weiter berichten können», sagt die Österreicherin Antonia Rados, die für den privaten Fernsehsender RTL aus Bagdad berichtet. «Wir konnten uns immer frei bewegen, aber nie frei filmen. Seit der Krieg begonnen hat, sind die Iraker sensibler geworden.» Ihre Informationsquellen beschreibt sie so: «Die offiziellen Medien, die Leute hier und das, was ich mit meinen Augen sehe.»

Keiner lässt sich unter Druck setzen

Am Rande einer Straße vor dem Informationsministerium steht Ulrich Tilgner vor einer Kamera, um sich in das ZDF-Programm einzuschalten. «Es geht um Einordnung. Ein geschlossenes Geschäft hat heute eine ganz andere Bedeutung als vor zehn Tagen», sagt er nach dem Bericht. Tilgner bezeichnet es als ärgerlich, wenn Berichte aus Bagdad mit besonderer Vorsicht genossen werden. «Ich lass mich hier in keiner Weise unter Druck setzen», sagt er. Unverschämt sei es auch, wenn Medien zwischen seriösem Journalismus und «Kopfhinhaltern» unterschieden. Ein Abzug aus dem Irak sei für ihn nicht in Frage gekommen, sagt der Journalist, der lange aus der Region berichtet. «Ich hätte es als Einknicken in meinem Beruf empfunden.»