NAHOST Arafat - wie Phönix aus der Asche

Sichtlich erschöpft, aber triumphierend trat Palästinenserpräsident Jassir Arafat am Donnerstag zum ersten Mal seit knapp fünf Wochen wieder ans Tageslicht.

Sichtlich erschöpft, aber triumphierend trat Palästinenserpräsident Jassir Arafat am Donnerstag zum ersten Mal seit knapp fünf Wochen wieder ans Tageslicht. Kurz nach seiner Befreiung zeigte sich Israels »Gefangener Nummer eins« euphorisch. Mit breitem Lächeln hob er vor der jubelnden Menge die Hand zum Siegeszeichen. Wie Phönix aus der Asche steigt Arafat, intern und international gestärkt, aus den Trümmern seiner Autonomiebehörde.

Nationales Symbol

Gerade der Würgegriff des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon hat nach Ansicht politischer Beobachter das angeschlagene Ansehen des 72-Jährigen als nationales Symbol der Palästinenser wieder aufpoliert. Nach den Siegesfeiern erwarte den Palästinenserführer jedoch ein schmerzhafter »Kater«, prophezeite der Kommentator Danny Rubinstein von der Zeitung »Haaretz«. Nachdem die erste Begeisterung verflogen sei, werde Arafat sich mit den übermächtigen Problemen seines Volkes auseinander setzen müssen.

Übermächtige Probleme

Die israelische Großoffensive »Operation Schutzschild« hat schwere Verwüstungen in den palästinensischen Städten hinterlassen. 19 Monate nach Beginn des zweiten Palästinenseraufstands (Intifada) sind viele Familien zerstört, die meisten Palästinenser haben kaum noch Geld, zahlreiche Menschen sind vom Hunger bedroht. Wenn er nicht bald ernsthafte Konzessionen von israelischer Seite vorweisen kann, wird es Arafat sehr schwer fallen, all das Elend vor seinem Volk zu rechtfertigen und einen neuen Ausbruch der Gewalt zu verhindern.

Pulverfass Geburtskirche

Ein weiteres Pulverfass mit bereits brennender Lunte ist die Lage in Bethlehem. Israelis und Palästinensern ist es bislang nicht gelungen, sich auf eine friedliche Beendigung der seit einem Monat dauernden Belagerung der Geburtskirche zu einigen, in der weiterhin mehrere Dutzend von Israel gesuchte Palästinenser verschanzt bleiben. Jederzeit könnte es zum blutigen Eklat in einer der heiligsten Stätten der Christenheit kommen.

Drang zu Friedensverhandlungen

Der israelische Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser (Arbeitspartei) forderte am Mittwoch in einem offensichtlichen Seitenhieb gegen Scharon die sofortige und bedingungslose Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen mit den Palästinensern. Ohne einen politischen Prozess werde man innerhalb kürzester Zeit einen neuen Ausbruch der Gewalt in der Region sehen, warnte Ben-Elieser.

Hoffnung durch Bush-Besuch?

Nach Angaben seiner Vertrauten will Scharon US-Präsidenten George W. Bush bei seinem Besuch in der kommenden Woche einen politischen Plan vorlegen. Kernpunkt sei die von Scharon vorgeschlagene regionale Friedenskonferenz. Israel werde auch die Bereitschaft erklären, auf der Basis der UN-Resolutionen 242 und 338 mit den Palästinensern zu verhandeln, schrieb am Donnerstag die Zeitung »Jediot Achronot«. Die Resolutionen sehen unter anderem einen Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten vor. Entgegen seiner ersten, ablehnenden Reaktion werde Scharon auch die Bereitschaft zu Verhandlungen über den saudischen Friedensplan bekunden, der Israel im Gegenzug für einen solchen Abzug einen Frieden mit den arabischen Staaten anbietet.

Solche Friedensgespräche würden Scharon allerdings dazu zwingen, von seiner jüngsten Erklärung abzurücken, er werde keine einzelne israelische Siedlung räumen. Mit einer solchen Kehrtwende würde Scharon seinem ständig präsenten Gegenspieler, dem ehemaligen Premier Benjamin Netanjahu, in die Hände spielen.

Arafat beschimpft Scharon als Nazi

Es ist auch schwer vorstellbar, dass die Erzfeinde Scharon und Arafat sich gemeinsam an einen Verhandlungstisch setzen werden. Kurz nach der Aufhebung der Arafat-Blockade betonte Scharon erneut, man könne Arafats Rückkehr nicht garantieren, sollte dieser ins Ausland reisen. In einer ersten Rede nach dem Ende der Belagerung beschimpfte Arafat Scharon seinerseits als »Terroristen, Rassisten und Nazi«.

Von Sara Lemel, dpa