Nicaragua Ortegas Rückkehr als geläuterter Engel

Bereits in den 80ern regierte Daniel Ortega Nicaragua in Grund und Boden - auch, weil die sozialistische Kolonie US-Präsident Reagan ein Dorn im Auge war. Bei den Wahlen nimmt Ortega nun einen zweiten Anlauf: Mit der "Revolution der Liebe".

Nicaragua steht in diesen Tagen vor einer historischen Entscheidung. Gut 16 Jahre nachdem die Menschen des mittelamerikanischen Landes die linken Sandinisten abgewählt hatten, stehen die Chancen gut, dass sie unter ihrem Führer Daniel Ortega (60) erneut die Macht in Managua übernehmen. In den 80er Jahren hatten sie das Land in den wirtschaftlichen Ruin geführt. Zum Erstaunen aller steht Ortega nun wieder an der Spitze der Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) und hat die Aussicht, erneut zum Präsidenten von Nicaragua gewählt zu werden - zumindest, wenn man den, allerdings durchaus fragwürdigen, Umfragen glaubt.

Sein schärfster Konkurrent ist der ehemalige Bankier Eduardo Montealegre (51) von der Liberalen Nicaraguanischen Allianz (ALN), der vom scheidenden Präsidenten Enrique Bolaños unterstützt wird. Weitere Bewerber sind der Chef der Liberalen Verfassungspartei (PLC), José Rizo, der legendäre frühere "Comandante Zero", Edén Pastora, und Edmundo Jarquín, der für die Bewegung der Sandinistischen Erneuerung (MRS) antritt. Diese hat sich von den Sandinisten Ortegas abgespalten.

Viele befürchten Wahlbetrug

3,4 Millionen Nicaraguaner sind wahlberechtigt. Experten halten eine Beteiligung von rund 70 Prozent für möglich. Die Wahl geht unter den Argusaugen von fast 800 internationalen Beobachtern über die Bühne. Tatsächlich halten viele Menschen in Nicaragua einen Wahlbetrug für möglich, weil die Wahlbehörden angeblich von den Sandinisten dominiert werden.

Wie in den meisten Staaten Lateinamerikas stehen die Wähler auch in Nicaragua vor einer echten Alternative. Sie entscheiden zwischen einem lateinamerikanischen Nationalismus mit sozialistischer Prägung und einem neoliberalen Kurs. Letzterer wird von Montealegre repräsentiert, der die seit 1990 begonnene Wirtschafts- und Stabilitätspolitik fortsetzen will. Er will ausländische Investitionen anlocken, die Privatwirtschaft fördern und den Handel ankurbeln.

"Nicaragua braucht Ruhe, makroökonomische Stabilität und einen freien Markt, damit die Investitionen kommen", sagte er vor wenigen Tagen auf einer Konferenz der Friedrich-Naumann-Stiftung in Managua. Montealegre, ein unauffällig auftretender Mann, der zuvor schon Außenminister Nicaraguas war, will auch das Freihandelsabkommen mit den USA (CAFTA) durchsetzen. Das Abkommen sei für Nicaragua "die beste Handelsquelle mit einem der größten Märkte der Welt", dem sich das kleine Nicaragua nicht entziehen dürfe.

Ortega ruft "Revolution der Liebe" aus

Derlei Äußerungen sind aus dem Munde Ortegas nicht zu vernehmen. Er fühlt sich bereits als sicherer Wahlsieger und rief eine "Revolution der Liebe aus". Der ehemalige Revolutionär hat sich dem Himmel und dem Sozialismus gleichzeitig verschrieben. "Der Reichtum darf nicht in den Händen weniger bleiben, denn er ist Eigentum des Volkes", predigt er auf seinen Wahlkampfveranstaltungen. "Gebt mir aus Liebe zu Gott die Gelegenheit, in Frieden zu regieren, und bald werdet Ihr Gesundheit, Wohnung, Arbeit und Bildung haben", verspricht er.

Woher er den Reichtum so rasch nehmen will, wurde in den vergangenen Tagen klar, als zwei Schiffsladungen Dieselkraftstoff zu Sonderkonditionen aus Venezuela angeliefert wurden. Da kam Ortega mit Gefolge zum Hafen, um das Geschenk des Präsidenten von Venezuela, Hugo Chàvez, in Empfang zu nehmen. "Die Liebe ist das Allergrößte und Wichtigste", ruft Ortega seinen fahnenschwingenden Anhängern zu. "Wir müssen dem Gebot Jesu folgen und uns lieben."

Nach Meinung der politischen Experten in Nicaragua muss es Ortega im ersten Wahlgang schaffen. In einer Stichwahl würden sich die "Antisandinisten" zusammentun und ihren Kandidaten, wahrscheinlich Montealegre, auf den Schild heben. Die Chancen Ortegas, es im ersten Anlauf zu schaffen, stehen nicht schlecht, weil es inzwischen in Nicaragua eine Besonderheit gibt: Wer im ersten Wahlgang über 40 Prozent der Stimmen erreicht, wird Präsident. Es reichen aber auch schon 35 Prozent der Stimmen, wenn der Zweitplatzierte mit einem Abstand von über fünf Prozent folgt. Darauf setzt Ortega - und darauf, dass die Menschen vergessen haben, wie er das Land ruinierte, oder es einfach nicht wissen: seine Anhänger sind meist Jugendliche.

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Franz Smets/DPA