Die seit einem Monat laufenden Koalitionsgespräche zwischen rechter FPÖ und konservativer ÖVP in Österreich stehen auf der Kippe. Am Montag versuchten ÖVP-Chef Christian Stocker und FPÖ-Vorsitzender Herbert Kickl bei einem Spitzengespräch wohl entscheidende Weichen zu stellen. "Es geht neben der Ressortverteilung auch um sehr grundsätzliche Inhalte", sagte Stocker am Abend vor dem Treffen. Die FPÖ schwieg zunächst.
Die Verhandlungen werden überschattet von zahlreichen Konfliktpunkten. Dazu zählt die von der FPÖ geforderte Zurückweisung von Migranten an der Außengrenze und das Anliegen der Rechtspopulisten, das Asylrecht durch ein Notgesetz außer Kraft zu setzen.
Alte Verhandlungspartner bringen sich erneut ins Spiel
Schwerwiegende Differenzen zwischen FPÖ und ÖVP existieren auch in der EU- und der Außenpolitik. Die extrem kritische Haltung von FPÖ-Chef Herbert Kickl gegenüber der Europäischen Union ist der ÖVP ein Dorn im Auge. Denn er könnte als Kanzler zusammen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban versuchen, wichtige EU-Entscheidungen zu blockieren – zum Beispiel zur Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland.
Ungelöst scheint auch die Frage, wer die Verantwortung für das wichtige Innenministerium übernimmt. Beide Parteien wollen das Ressort aus ihren Reihen besetzen. Generell gilt das Vertrauensverhältnis zwischen FPÖ und ÖVP als sehr überschaubar.
Unterdessen betonen die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen Neos ihre Bereitschaft, erneut für Koalitionsgespräche mit der ÖVP zur Verfügung zu stehen. Der Versuch einer solchen Dreier-Koalition war in einem ersten Anlauf nach rund 100 Tagen Anfang Januar überraschend gescheitert.
Österreichs Vizekanzler warnt vor "historischer Schuld" der ÖVP
SPÖ-Chef Andreas Babler betonte im ORF, dass es angesichts der möglichen FPÖ-ÖVP-Koalition für die SPÖ keine roten Linien in neuen Gesprächen mehr geben würde. Auch Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler warnte erneut: "Wenn die ÖVP die in Teilen rechtsradikale FPÖ und den Herbert Kickl ins Kanzleramt hievt, dann lädt sie historische Schuld auf sich", sagte er im ORF-Fernsehen.