Patrouille Die Angst fährt immer mit

Je mehr sich die US-Soldaten um Recht und Ordnung in Bagdad kümmern, desto verwundbarer werden sie auch für Angriffe. Bei vielen Irakern herrscht eine bittere Wut auf die US-Truppen. Die Bagdader erzählen sich Geschichten von Opfern, die ihnen als unschuldig gelten.

«Vorsicht Jungs, hört jetzt genau zu», sagt der amerikanische Unteroffizier bei der Ausfahrt aus dem besetzten internationalen Flughafen Bagdad. Der Kleinlaster ist mit Sandsäcken und aufgeschraubten Maschinengewehren auf Feindkontakt vorbereitet. Und auch die Soldaten rechnen auf dem Weg in das eroberte Bagdad, das ihnen jetzt als befreite Stadt gilt, mit Angriffen oder Autobomben. «Wenn ich 84 sage, geht runter», sagt ein anderer Soldat. Wenn nötig soll aus allen Rohren gefeuert werden.

Dann geht es in die irakische Hauptstadt. Dichter Autoverkehr und ständiges Gehupe bestimmt die Fahrt ins Zentrum. Das Drängeln um den kleinen Vorteil auf dem Weg zum Ziel gehört zum guten Ton. Bei amerikanischen Militärs löst das aber große Nervosität aus. Auf strikte Handzeichen hin soll ein irakischer Autofahrer auf der großen Sadoun-Straße Abstand halten. Er schaut nicht auf den Soldaten, der schon anlegt, zielt und den Finger dicht am Abzug hat. Aber nichts passiert.

Jeden Tag kommt es zu Zwischenfällen

Doch seit die amerikanischen Soldaten Bagdad vor einer Woche erobert haben, kommt es jeden Tag zu Zwischenfällen mit Zivilisten. An Kontrollpunkten oder in Wohngebieten werden Menschen erschossen. Die Bagdader erzählen sich die Geschichten von Opfern, die ihnen zweifelsfrei als unschuldig gelten. Da war der ältere Mann, taub noch dazu, der in einem Vorort vor einer Patrouille wegrannte. Auf das «Stopp» der Soldaten hin habe er noch an Tempo zugelegt - und sei tödlich getroffen worden, berichten Nachbarn. Einem 16 Jahre alten Jungen sei aus einem Missverständnis heraus in den Kopf geschossen worden.

Es sind kulturelle Unterschiede bei der Annäherung von Menschen und die große Angst der Amerikaner vor Racheakten der Araber, die zu den Zwischenfällen führen. Zahlen über Getötete werden nicht mehr veröffentlicht, seit die irakischen Regierungsstrukturen zusammengebrochen sind. Das US-Verteidigungsministerium hat keine Pläne, die im Irak-Krieg getöteten Zivilisten zu zählen. Der US- Kongress hatte das Verteidigungsministerium zuvor aufgefordert, Angehörige von getöteten irakischen Zivilisten ausfindig zu machen und ihren Verlust «angemessen zu kompensieren».

Verwundbare Ordnungsmacht

Je mehr sich die US-Soldaten um Recht und Ordnung in Bagdad kümmern und gegen Plünderer und nächtliche Schießereien vorgehen, desto verwundbarer werden die Truppen auch für Angriffe. Bei vielen Irakern herrscht eine bittere Wut auf die US-Truppen. «Sie bringen nur den Plünderern Freiheit», sagt ein in zivil gekleideter Mann, der sich als Oberst der geschlagenen irakischen Armee zu erkennen gibt. Seine Augen scheinen vor Hass vertränt. «Wenn es so weiter geht, werden wir sie töten», sagt er.

Die Amerikaner rauschen in einem Konvoi mit irakischen Polizeiwagen auf der Hauptstraße vorbei. Auch ein Abschleppwagen fährt mit. Seit Mittwoch sammeln die Soldaten gestohlene Behördenfahrzeuge wieder ein. Gerade wurde ein Bus ausfindig gemacht. «Wir stoppen verdächtige Fahrzeuge und verlangen vom Fahrer die Papiere», sagt US-Leutnant Reeb Klauer. «Wenn er die nicht vorlegen kann, nehmen wir ihm den Wagen ab und geben ihn Regierungsstellen zurück.»

DPA
Carsten Hoffmann