Neuartige Rakete Putin droht Westen: Ziele lägen nicht nur in der Ukraine

Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt seine Fernsehansprache auf
Ist in ein Nachbarland einmarschiert, behauptet aber stets, eskalieren täten die anderen: Wladimir Putin
© Vyacheslav Prokofyev / Pool Sputnik Kremlin / AP / DPA
Am 1002. Kriegstag lässt Putin eine rätselhafte neue Rakete auf Dnipro schießen. Erprobung unter Gefechtsbedingungen, nennt er das. Und droht den Unterstützern der Ukraine.

Russlands Angriffskrieg ist mit einem neuen Raketenschlag gegen die Ukraine und Drohungen von Präsident Wladimir Putin gegen Kiews westliche Unterstützer weiter eskaliert. Der Kremlchef bestätigte, dass eine neu entwickelte russische Mittelstreckenrakete am Donnerstagmorgen die ukrainische Großstadt Dnipro getroffen habe. 

In einer Videoansprache nannte er das neue System Oreschnik. Es arbeite mit Hyperschallgeschwindigkeit und könne nicht abgefangen werden, sagte er. Das ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. In Dnipro schlugen sechs einzelne Sprengköpfe ein. Sie seien nicht nuklearer Art gewesen, sagte Putin. 

Er sprach von einer Reaktion darauf, dass die USA und andere Länder der Ukraine den Einsatz weitreichender Waffen gegen russisches Territorium erlaubt hätten. "Wir haben mehrfach unterstrichen, dass der vom Westen provozierte Regionalkonflikt in der Ukraine Elemente globalen Charakters angenommen hat", erklärte Putin. Zugleich nannte er das neue System die Moskauer Antwort darauf, dass die USA Mittelstreckenraketen in Europa und im Pazifik stationieren wollten.

Am 1002. Kriegstag drohte er deshalb nicht nur der Ukraine, sondern auch ihren Unterstützern mit möglichen Raketenangriffen. "Wir sehen uns im Recht, unsere Waffen gegen militärische Objekte der Länder einzusetzen, die es zulassen, dass ihre Waffen gegen Objekte bei uns eingesetzt werden", sagte er. "Im Fall einer Eskalation aggressiver Handlungen werden wir entschieden spiegelbildlich handeln."

USA: Putin wolle die Unterstützer der Ukraine abschrecken

Die Ukraine hat in den vergangenen Tagen dem Vernehmen nach ATACMS-Raketen aus US-Produktion und britische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow auf Militärziele in Russland abgefeuert.

Ein Vertreter der US-Regierung erklärte, Russland besitze vermutlich nur eine Handvoll dieser experimentellen Raketen. Die Ukraine habe schon Angriffe von Raketen mit viel größeren Sprengladungen überstanden. Die Moskauer Attacke solle vor allem die Ukraine und ihre Unterstützer abschrecken und öffentliche Aufmerksamkeit erregen, sagte der Beamte. Die USA hätten Kiew und die Verbündeten jüngst über einen möglichen Einsatz der neuen Rakete informiert. 

Nach dem Angriff auf Dnipro gab es zunächst Spekulationen, ob es sich um eine Interkontinentalrakete gehandelt haben könnte. Abgefeuert wurde die prinzipiell auch mit Atomsprengköpfen bestückbare Oreschnik vermutlich aus dem russischen Gebiet Astrachan am Kaspischen Meer – etwa 800 Kilometer vom Einschlagsort Dnipro entfernt. Einige Militärbeobachter nannten dies einen Warnschuss, aber auch eine mögliche Generalprobe für einen echten Atomschlag.

Putin: Raketentest unter Gefechtsbedingungen 

Diktator Putin sprach von einem Test der Rakete unter Gefechtsbedingungen. Bei weiteren Tests der Oreschnik werde Russland die Zivilbevölkerung warnen, damit sie die Gefahrenzone verlassen könne, kündigte er an. Er sprach dabei nicht von einem Nuklearangriff. Allerdings werten Experten gerade den Einsatz von mehreren Sprengköpfen in Dnipro als Hinweis, dass die Rakete technisch gesehen auch nuklear bestückt werden kann. Daten zu der neuen Rakete gibt es bislang nicht, auch die Typenbezeichnung ist bislang nicht aufgetaucht. 

Nicht authentifizierte, in sozialen Netzwerken kursierende Videos zeigten über einer nächtlichen Stadt herabfallende helle Teile ohne Folgeexplosionen. Vermutet wurde, dass dies die sechs leeren Sprengköpfe zu einer eingesetzten Interkontinentalrakete gehören könnten.

Selenskyj: Putin nutzt Ukraine als Waffentestgelände

"Alle Charaktereigenschaften – Geschwindigkeit, Höhe – sind die einer Interkontinentalrakete", sagte der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj. "Offensichtlich ist, dass Putin die Ukraine als Versuchsgelände nutzt." Auffällig war, dass es von der Nato keine Reaktion gab. Der Start einer Interkontinentalrakete hätte überall roten Alarm auslösen müssen, meinte der unabhängige Militäranalyst Jan Matwejew.

Die Vereinten Nationen sprachen von einer besorgniserregenden Entwicklung: "All das geht in die falsche Richtung. Was wir sehen wollen, ist, dass alle Parteien dringend Schritte unternehmen, um die Situation zu deeskalieren", sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric in New York. 

Großbritannien spricht von Eskalation und ballistischer Rakete

Großbritanniens Verteidigungsminister John Healey äußerte sich zwar nicht zum genauen Typ der Rakete, übte aber trotzdem scharfe Kritik an Putin, dem er Eskalation vorwarf. Er habe die Angriffe aus der Luft auf die Ukraine in den vergangenen Wochen massiv verschärft und tausende nordkoreanische Soldaten an die Front geschickt. "Und es gibt heute unbestätigte Medienberichte, dass Russland eine neue ballistische Rakete auf die Ukraine gefeuert hat, was sie unseres Wissens nach seit Monaten vorbereitet haben", sagte Healey im Verteidigungsausschuss.

 

AFP · DPA
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