Als der 89-jährige Hanan Michaeli am Sonntagmorgen in einen Jerusalemer Bus einstieg, bot ihm ein Jugendlicher sofort seinen Sitzplatz in der Mitte des Fahrzeugs an. Der alte Mann lehnte jedoch höflich ab und blieb im vorderen Bereich stehen. Das hat ihm vermutlich das Leben gerettet, denn in der Mitte des Busses detonierte kurze Zeit später eine Bombe. Ein Selbstmordattentäter riss mindestens sieben Menschen mit in den Tod und verletzte 60 teilweise schwer. Michaeli erlitt lediglich eine kleine Wunde am rechten Ohr.
Busse beliebtes Ziel von Attentätern
Die 57-jährige Nili Amotz wollte eigentlich gar nicht mit dem Bus fahren. Schließlich weiß jeder in Israel, dass voll besetzte Fahrzeuge, aus denen man nicht schnell flüchten kann, ein beliebtes Ziel von Attentätern sind. Im Berufsverkehr am Sonntagmorgen stieg Amotz aber doch in einen öffentlichen Bus ein, um von der Siedlung Har Homa ins Zentrum von Jerusalem zu fahren. Der Anschlag ereignete sich gegen 08.30 Uhr in der Nähe eines beliebten Volksparks, von dem aus man die Altstadt von Jerusalem gut überblicken kann.
"Es gab plötzlich einen lauten Knall und einen blitzartigen Lichteffekt", erinnert sich Amotz, die mit einer Kopfverletzung ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Für einen kurzen Augenblick sei es dann totenstill gewesen, erst danach habe sie die Schreie und das Stöhnen der Verletzten gehört. So ähnlich haben Zeugen von Anschlägen in Israel schon häufig die Abläufe geschildert.
"Überall Glassplitter und Leichenteile"
"Es war wie ein Erdbeben", sagt Ora Jairow, die sich zum Zeitpunkt der Explosion an einer Tankstelle in unmittelbarer Nähe des Tatorts aufhielt. "Plötzlich waren da überall Glassplitter und Leichenteile." Der 56-jährige Mosche Salama erzählt: "Ich habe schreckliche Dinge gesehen, da habe ich versucht, gar nicht hinzuschauen." Eine Stunde nach dem Anschlag lagen immer noch Leichen auf der Straße. Sanitäter deckten sie mit weißen Laken zu und sammelten Leichenteile in Plastiksäcken ein.
Kurze Zeit vor der Explosion hatte ein Sicherheitsbeamter den Bus noch nach Bomben durchsucht, wie der Fahrgast Dubi Goldfam berichtete. Ob der Attentäter zu diesem Zeitpunkt schon zugestiegen war, blieb unklar. Der Bürgermeister von Jerusalem, Uri Lupolianski, versuchte die aufgebrachten Einwohner zu beruhigen, indem er ihnen zusagte, die Sperranlage zum Westjordanland beschleunigt fertig zu stellen.
Regierung verteidigt Bau der Sperranlage
Damit stieß er auch bei den Regierungspolitikern auf offene Ohren. "Dieser Anschlag beweist, wie dringend es ist, den Sperrzaun zu bauen", erklärte Außenminister Silvan Schalom. "Es handelt sich hier eindeutig um eine vorbeugende Maßnahme, und wir werden weiter bauen, weil wir nur so Leben retten können." Einen Tag vor der Anhörung zum israelischen Grenzwall beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag haben sich die Fronten im Nahen Osten damit wieder verhärtet.