Die Russen haben ihn schon, die Ukraine nicht mehr und die Österreicher wollen ihn: den starken Mann. Also an der Staatsspitze. Einen "politischen Führer, der sich nicht um Wahlen und Parlament kümmern muss" - so wünscht es sich rund ein Drittel aller Österreicher laut einer Studie der Uni Wien. Führer, Österreich - da war doch was? Meinen die Alpennachbarn das ernst? Es steht zu befürchten: ja. Eine Umfrage der Zeitung "Der Standard" im März kam bei dieser Frage zu einer noch höheren Zustimmungsrate.
Jetzt ließe sich einwenden, dass die Uhren in Österreich schon immer etwas anders tickten. In welchem anderen Land würden sich schon Parteispitzenmänner für den Wahlkampf halbnackt ablichten lassen, wie etwa das milliardenschwere Politirrlicht Frank Stronach im Sommer vergangenen Jahres? In welchem anderen Land werden 27-jährige Studienabbrecher gleich Außenminister wie der konservative Sebastian Kurz? Und wo rangiert schon seit über 20 Jahren eine rechtspopulistische bis rechtsaußen-Partei wie die FPÖ in der Publikumsgunst ganz weit oben?
Rambazamba statt Apathie
Andererseits: Sind solche Eskapaden nicht auch verständlich in einem Land, in dem eine nicht enden wollende Dauer-Große-Koalition am Wählernerv zehrt? Die Aussage des Wiener Forschers Oliver Rathkolb vom Institut für Zeitgeschichte legt das nahe: "Die sozio-ökonomisch verursachte Apathie führt zu einer Führer-Sehnsucht", sagt er. Wobei auch er einen offensichtlichen Widerspruch in der Gedankenwelt seiner Landsleute nicht klären konnte: Denn Länder, die von starken Männern geführten Ländern werden (China, Nordkorea, Iran), sind nicht gerade für politisch-kunterbuntes Rambazamba bekannt - gleichsam Gegenteil der Apathie. So gesehen ist in Österreich eigentlich alles in Ordnung.
Aber natürlich: Die Welt ist unübersichtlich, Globalisierung bedrohlich, Demokratie mühselig und Freiheit kompliziert. Frankreich hadert sogar so sehr mit den modernen Zeiten, dass sich dort angeblich fast "90 Prozent der Bevölkerung "einen echten Führer" herbeiseht, "um die Ordnung wiederherzustellen". In Deutschland dagegen sind es nur zwischen zehn bis 15 Prozent. Aber wir haben gut reden - wir haben ja auch Mutti Merkel.