Dass der größte Staat in den USA zugleich auch einer der konservativsten ist, ist kein Geheimnis. Doch in Sachen Kleidungsstil ließ sich selbst in Texas bislang konsequenzlos streiten. Nicht so im Landwirtschaftsministerium.
Wie zuerst der "Texas Observer" berichtete, hat die Behörde am 13. April neue Bekleidungsvorschriften erlassen, laut dem Mitarbeiter dazu angehalten sind, sich "ihrem biologischen Geschlecht entsprechend" zu kleiden. Zwar gab es bereits einen Dresscode – von geschlechtsspezifischer Erscheinung war da allerdings nicht die Rede. Unklar ist noch, ob die neue Regelung ausschließlich für das Landwirtschaftsministerium beschlossen wurde. In jedem Fall sehen Kritiker darin den nächsten, schlecht getarnten Angriff auf die Rechte von Transpersonen.
"Sie sind ein Profi, also sehen Sie auch wie einer aus"
In dem von der Lokalzeitung veröffentlichen Memo heißt es, dass fortan ausschließlich "westliche Kleidung erwünscht" sei. Was genau das Ministerium unter der Führung des Erzkonservativen Trumpisten Sid Miller für angemessene Kleidung hält?
"Für Männer umfasst die Geschäftskleidung ein langärmeliges Hemd, eine Krawatte und ein Sportsakko, das mit Hosen und Schuhen oder Stiefeln getragen wird", heißt es darin.
"Für Frauen umfasst die Geschäftskleidung maßgeschneiderte Hosenanzüge, Business- Kleider, aufeinander abgestimmte Kombinationen mit oder ohne Blazer und konservative, geschlossene Schuhe oder Stiefel." Frauen dürften überdies kein "übermäßiges Dekolleté" zeigen und müssten auf Röcke, die fünf Zentimeter kürzer als Kniehöhe sind, verzichten. Grundsätzlich sei von allzu enger und freizügiger Kleidung abzusehen.
Strikt verboten seien auch neonfarbene und leuchtende Haarfarben, sowie Nasen-, Lippen oder sonstige Gesichtspiercings. "Sie sind ein Profi, also sehen Sie auch wie einer aus", heißt es wörtlich unter er Überschrift "Beispiele für Standards für Männer und Frauen".
Was die Grenzen des neuen Anstands überschreitet, darüber sollen am Ende die jeweiligen Vorgesetzten entscheiden. Weigert sich ein Mitarbeiter beharrlich, kann es zur Entlassung kommen. "Wenn die unangemessene Kleidung eines Mitarbeiters, mangelnde Hygiene oder die Verwendung von anstößigem Parfüm/Duft ein Problem darstellt, sollte der Vorgesetzte das Problem zunächst mit dem Mitarbeiter unter vier Augen besprechen und ihn auf die spezifischen Bereiche hinweisen, die korrigiert werden müssen", so die Memo.
Kein Staat geht so sehr gegen Trans-Rechte vor wie Texas
Die neuen Richtlinien lassen reichlich Interpretationsspielraum. "Dürfen Frauen keine Anzüge mehr tragen? Dürfen Männer Halsketten tragen?", fragt sich LGBTQ-Aktivist Ricardo Martinez von der Lobbygruppe "Equality Texas" im "Texas Tribune". Ein Anwalt der Bürgerrechtsorganisation "American Civil Liberties Union" meinte, die Richtlinie verstoße gegen bestehendes Recht, das die Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität verbietet.
Texas geht wie viele republikanisch-dominierte US-Bundesstaaten in den vergangenen Monaten zusehends hart gegen aus ihrer Sicht "woke" Politik vor und beschneidet dabei die Rechte von Trans-Personen. In Montana schlossen konservative Parlamentarier jüngst die Trans-Abgeordnete Zooey Zephyr aus, in Florida ficht der über die Staatsgrenzen hinaus einflussreiche Gouverneur Ron DeSantis einen Kulturkampf.
Dass ausgerechnet eine texanische Behörde mit solch fragwürdigen Richtlinien aufwartet, ist kein Zufall. Der Nachrichtenplattform "Axios" zufolge ging keine andere Landesregierung so hart gegen Transrechte vor wie der Lone Star State. Allein in dieser Sitzungsperiode seien 57 entsprechende Gesetzesentwürfe eingereicht worden. Damit sollen laut Berichten unter anderem geschlechtsangleichende Behandlungen erschwert und das Thema Transidentität im Schulunterricht eingeschränkt werden.
Was Sid Miller selbst unter genderkonformer Kleidung versteht, ist übrigens klar: Der 67-Jährige trägt Cowboyhut. Fotos eines unbehuteten Miller sind genauso selten wie Transgender-Abgeordnete in der texanischen Politik. Zumindest fast.
Quellen: "Texas Observer"; "Guardian"; "Texas Tribune"; "Axios"